Fliegender Gerichtsstand
Aus Buskeismus
Der Gerichtsstand ist der Ort, an welchem das zuständige Gericht sitzt. Bei Veröffentlichung in Presse und Rundfunk und Internet, die in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen und damit dem (Quasi-)Deliktsrecht zuzuordnen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit entsprechend § 32 ZPO nach dem Ort der Tatbegehung, also der Kenntnisnahme durch den Leser etc. Auf den Ort, wo die Äußerung getätigt oder abgesendet wurde, kommt es nicht an.
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Anwendungsbereich
Der fliegende Gerichtsstand gilt für Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und Schadensersatz, nicht jedoch für den Anspruch auf Gegendarstellung.
Bei Störern aus dem Ausland (Österreich, Schweiz, Großbritannien und andere) setzt die Zuständigkeit das Vorhandensein analoger Gesetze in dem Ursprungsland voraus.
Printmedien
Begehungsort ist bei Printmedien jeder Ort, an dem diese vertrieben bzw. gekauft oder geschenkt werden können. Ist eine Zeitung am Hamburger Bahnhofskiosk mit nur einem einzigen Exemplar vertreten, kann in Hamburg geklagt werden ("fliegender Gerichtsstand des Presserechts"). Wohnt ein Mannheimer in Hamburg, so besteht die Gefahr, dass er ein örtliches Printmedium (Buch, Zeitung) geschenkt bekommen kann.
Rundfunk, Fernsehen
Bei Veröffentlichung im Rundfunk kann überall geklagt werden, wo die Sendung empfangen werden kann, bei Internet überall, wo die Website abgerufen werden kann.
Internet
Bei Veröffentlichung in Rundfunk und Internet können diese Äußerungen bundesweit empfangen werden, sodass jedes deutsche Gericht als zuständig angesehen wird und daher vom Kläger frei gewählt werden kann. Problematische Websites tendieren dazu, in Hamburg abgerufen zu werden.
forum shopping
Gegner der Meinungsfreiheit und kriminelle Elemente haben damit die Möglichkeit, sich "angenehme" Gerichte frei auszusuchen - bis zum Oberlandesgericht (forum shopping).
- Kläger, die Äußerungen verbieten lassen möchten, klagen bevorzugt bei den für ihre harte Linie bekannten Gerichten in Hamburg oder Berlin.
- Kläger, die auf die Unwissenheit von Richtern im Medienrecht spekulieren, bevorzugen das Landgericht Köln.
- Verurteilte Mörder bevorzugen das Landgericht Nürnberg.
Kritik
selektive Rechtsprechung wird bundesweit geltendes Recht
Durch den fliegenden Gerichtsstand können gezielt Urteile erreicht werden, welche von der Tendenz her der Meinungsunterdrückung und Zensur Vorschub leisten. Der fliegende Gerichtsstand ist neben der Stolpe-Entscheidung und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht die effizienteste Bedrohung der Meinungsfreiheit.
Schikane durch Reisekosten
Beklagte können durch die Reisekosten und zusätzliche Anwaltskosten schikaniert und in ihrer Verteidigung abgeschreckt werden.
testweise einstweilige Verfügungen
Tests können durchgeführt werden, indem mit ähnlichen Anliegen z.B. in Berlin und Hamburg gleichzeitig geklagt und mit identischen Anliegen einstweilige Verfügungen beantragt werden. Eine Klage wird dann zurückgenommen und beim genehmen Gericht weiterverfolgt, wie es Prof. Dr. Prinz und Anwalt Dr. Alexander Stopp praktizieren. Verliert man bei der Zensurkammer in Berlin, so geht man nach Hamburg. So geschehen z.B. mit den Klagen von Charlene Wittstock oder VW, vertreten von der Kanzlei Prof. Dr. Prinz.
Leidtragend sind weniger die kommerziellen großen Medien als vielmehr Privatpersonen, kleine Verlage und Website-Betreiber. So wird gegen Manfred Plinke vom Verlag Autoren-Magazin in ganz Deutschland seit Jahren geklagt.
Schrotflinten-Taktik
Vermögende Kläger können unsichere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gleichzeitig an mehreren Gerichten parallel geltend machen, nach dem Motto "wird schon einer treffen". Damit wird der grundgesetzlich garantierte Anspruch auf den gesetzlichen Richter (genau ein zuständiges Gericht) unterlaufen.
rechtsdogmatischer Schund
Die Idee des deliktischen Gerichtsstands aus § 32 ZPO war es, einem Kläger bei "unerlaubten Handlungen" wie Straftaten oder Unfällen neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Gegners eine Möglichkeit zu verschaffen, vor Ort zu klagen. Das mag für derartige Ereignisse sinnvoll und sachgerecht sein. Nicht jedoch hatte der Gesetzgeber die Absicht, für Äußerungsdelikte, die praktisch überall begangen werden, beliebig viele Tatorte und damit beliebige und beliebig viele Gerichtsstände zu schaffen.
Ebenso, wie der Erfolg einer Beleidigung vor Ort eintritt, "tritt" dort auch die Unterlassung ein, unabhängig davon, wo eine Unterlassungsverfügung erwirkt wurde. Es besteht daher kein nachvollziehbarer Grund, warum ein Gericht "vor Ort2 sein müsste. Ein einziger zusätzlicher Gerichtsstand, nämlich am Gerichtsstand des Klägers, wäre völlig ausreichend.
Grenzen des fliegenden Gerichtsstands
Einige Gerichte setzen diesen Methoden Grenzen
Kammergericht Berlin - Urteil 5 W 371/07 vom 25.01.2008
Eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des so genannten fliegenden Gerichtsstands kann anzunehmen sein, wenn Prozesse stets bei einem Gericht anhängig gemacht werden, das in erheblicher Entfernung zum Sitz des jeweiligen Gegners liegt, ohne dass hierfür schutzwürdige Interessen des Antragstellers/Klägers oder sachliche Gründe erkennbar sind.
Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr wurden und werden die Verletzer deutschlandweit in Anspruch genommen, und zwar möglichst weit von ihrem Wohn- und Geschäftssitz entfernt, und zwar auch dann, wenn das Sitz- oder das nächstgelegene Gericht zum Kreis der ansonsten vom Gläubiger Präferierten zählt.
Als besonders krass empfindet es der Senat insoweit, dass vor dem Landgericht Köln ein Antragsgegner aus Hamburg (...) in Anspruch genommen wird, wohingegen vor dem Landgericht Hamburg Antragsgegner aus Bonn und aus der Nähe von Düsseldorf in Anspruch genommen werden, und dass ein Gegner aus der Nähe von Würzburg in Berlin, ein Gegner aus Göppingen demgegenüber in Würzburg in Anspruch genommen wird.
Des Weiteren werden etwa Gegner aus Bremen oder Umgebung in Braunschweig oder Berlin und Gegner aus Kaiserslautern oder Pforzheim in Magdeburg in Anspruch genommen.
Mangels anderer Anhaltspunkte für wirklich sachliche Motive lässt diese Vorgehensweise - mit Blick auf die drohenden Reisekosten zum Gerichtsort - auf Schädigungsabsicht schließen."
Leitsätze: UWG §§ 8 Abs. 4, 14 Abs. 2; ZPO § 35
1. Die durch die Regelung des fliegenden Gerichtsstands ermöglichte deutschlandweite Gerichtswahl schließt die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Wahl im Einzelfall nicht aus. Grundsätzlich ist es zwar nicht als missbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG) anzusehen, wenn der Kläger das ihm bequemste oder genehmste Gericht auswählt, also beispielsweise sein Heimatgericht oder das Gericht mit der ihm am günstigsten erscheinenden Rechtsprechung. Es ist gerade in Rechtsstreitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes weder ungewöhnlich noch anrüchig, wenn angreifende Wettbewerber im Hinblick auf den häufig eröffneten "fliegenden Gerichtsstand" das gerichtliche Forum wählen, welches ihnen im Hinblick auf die dort vorherrschende Rechtsprechung zur Erreichung ihrer Prozessziele am meisten Erfolg versprechend erscheint. Dieser Effekt ist im Hinblick auf § 14 Abs. 2 UWG Ausdruck des gesetzgeberischen Willens.
2. Die Ausnutzung des "fliegenden Gerichtsstands" nach § 14 Abs. 2 UWG; § 35 ZPO ist grundsätzlich keine unzulässige Rechtsausübung. Die Gerichtswahl nach § 35 ZPO kennt grundsätzlich keine Einschränkung, und zwar auch dann nicht, wenn ein Antragsteller unter Ausnutzung diesbezüglicher Möglichkeiten die Rechtsprechung verschiedener Gerichte sozusagen "testet" (OLG Naumburg, Urteil vom 13.07.2007 – 10 U 14/07 = MIR 2007, Dok. 438).
3. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs kann aber dann nahe liegen, wenn sich die praktizierte Gerichtsstandswahl des Antragstellers/Klägers - offenkundig - dadurch auszeichnet, dass ein dem jeweiligen Gegner ortsfernes Gerichts (weite Entfernung vom Geschäfts- bzw. Wohnsitz des Verletzers) ausgewählt wird und daher davon ausgegangen werden muss, dass die Hauptintention des Anragstellers/Klägers ist, den betreffenden Verletzer mit zusätzlichen Kosten - insbesondere mit Reisekosten - zu belasten bzw. einzuschüchtern. Dies gilt jedenfalls soweit schutzwürdige Interessen des Antragstellers/Klägers oder sachliche Gründe (so etwa auch die Ausnutzung einer für günstigen Rechtsprechungslage) nicht erkennbar sind.
4. Die Frage, ob ein Missbrauch vorliegt, ist von Amts wegen zu prüfen (BGH, GRUR 2002, 715, 717 – Scanner-Werbung). Die Folgen eines non liquet treffen den Beklagten, der deshalb gut daran tut, dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung zu verschaffen. Gelingt es ihm damit, die grundsätzlich für die Klagebefugnis sprechende Vermutung zu erschüttern, so hat der Kläger seinerseits substantiiert die aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen (vgl. BGH, GRUR 2006, 243, 244, Rn. 21 – MEGA SALE; KG Berlin, Beschluss vom 13.02.2007 – Az. 5 U 108/06). Grundsätzlich spricht also eine Vermutung gegen ein missbräuchliches Vorgehen (KG Berlin, Urteil vom 06.08.2002 – Az. 5 U 80/02). Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Missbrauchs trifft den Beklagten (KG Berlin, Beschluss vom 13.02.2007 – Az. 5 U 108/06). MIR 2008, Dok. 061
Landgericht Berlin - Urteil 15 O 181/07 vom 13.11.2007
Entscheidung zu Stadtpläne-Abmahnungen im Internet. Der Beklagte ist ein Zahnarzt aus Nordrhein-Westfalen, der auf seiner Homepage eine vom Kläger als urheberrechtlich geschützt gesehenen Kartenausschnitt verwendet hatte.
Das Landgericht Berlin hat seine örtliche Zuständigkeit verneint.
Aus dem Urteil:
"Grundsätzlich ist der Internetauftritt des Beklagten an jedem internetfähigen Computer aufrufbar. Die Karte wäre demnach an nahezu jedem Ort über die Internetseite des Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden.
Aus diesem Grund ging die herrschende Meinung bislang davon aus, dass der Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO bei derartigen unerlaubten Handlungen im Internet an jedem Ort, an dem es die Möglichkeit der Internetnutzung gibt, vorliegt (...). Nach dieser Auffassung obliegt es der Wahl der Klägers, an welchem Gericht er seine Ansprüche geltend macht, so lange nur die betreffende lnternetseite in dem Gerichtsbezirk aufrufbar ist. Dies führt zu dem aus dem Presserecht bekannten sog. „fliegenden Gerichtsstand".
Begründet wird die Ansicht damit, dass dem Anbieter von Inhalten im Internet das Gefährdungspotential dieses Mediums bekannt ist, er sich dessen Vorteile aber zu Nutze macht."
Dieser Ansicht folgen die Berliner Richter jedoch nicht und verneinen ihre Zuständigkeit:
"Die freie Überlassung der Gerichtsstandswahl an den Kläger widerspricht jedoch dem Leitgedanken der Zuständigkeitsvorschriften der ZPO. Die Zuständigkeitsregeln beruhen auf dem Gedanken der Lastenverteilung zwischen Kläger und Beklagtem.
Während der Kläger das „Ob" der Klageerhebung, den Zeitpunkt und die Art des Klageangriffs bestimmen kann, richtet sich die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts grundsätzlich nach dem Wohnort des Beklagten. (...)
Gegen die Auffassung (...) spricht ferner, dass die Anwendung von § 32 ZPO eine räumliche Bestimmbarkeit eines besonderen, von anderen gesetzlichen Gerichtsständen unterscheidbaren Begehungsort voraussetzt (...).
[Es] (...) existiert bei unerlaubten Handlungen im Internet aber kein bestimmbarer Ort, der den besonderen Gerichtsstand begründen könnte. Vielmehr führt die herrschende Meinung zu einem außergesetzlichen Wahlgerichtsstand zu Gunsten des Klägers (...), der jedoch, wie vorstehend dargelegt, dem Leitgedanken der Zuständigkeitsregeln der ZPO widerspricht(...).
Die Internetseite des Beklagten richtet sich an seine Patienten oder potentiellen Patienten. Diese kommen der Lebenserfahrung nach jedoch nur aus der näheren Umgebung seiner Praxis. Gerade bei einem Zahnarztbesuch, bei dem persönliches Vertrauen eine gewichtige Rolle spielt, liegt es völlig fern, dass ein Berliner sich einen Arzt sucht, den er nur durch eine mehrstündige Fahrt erreichen kann; dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil ein Besuch bei einem Zahnarzt Folge- oder Nachbesserungstermine erforderlich machen kann. Plant ein Berliner einen Urlaub in der Gegend des Beklagten, so liegt es sehr nahe, dass er einen absehbaren Zahnarzttermin in die Zeit vorher oder nachher legt; sollte der Zahnarztbesuch erst während des Urlaubs erforderlich werden; würde die Internetseite des Beklagten ohnehin nicht von Berlin aus aufgerufen. Wenn ein Berliner auf die Internetseite des Beklagten stößt, so handelt es sich also der Lebenserfahrung nach um eine rein zufällige Kenntnisnahme, die nicht ihrer bestimmungsgemäßen Ausrichtung entspricht. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Internetseite des Beklagten in räumlicher Hinsicht keinen ausdrücklichen sog. "disclaimer“, den die Klägerin für nötig hält, aufweist: Eine solche Eingrenzung mag beim grenzüberschreitenden Versandhandel angezeigt sein (vgl. BGH NJW 2006, 2630 ff. - Arzneimittelwerbung im Internet); die Eingrenzung des Gebiets der bestimmungsgemäßen Auswirkung kann aber auch anhand anderer Kriterien - wie soeben dargelegt – erfolgen."
Landgericht Krefeld - Urteil 1 S 32/07 vom 14.09.2007
Für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit bei Rechtsverletzungen (Internetseite) im Internet ist darauf abzustellen, ob sich die Verletzungshandlung im Bezirk des angerufenen Gerichts bestimmungsgemäßen Empfänger erreicht.
Für den zu entscheidenden Fall hat das LG Krefeld § 32 ZPO doch angewendet mit der folgenden Begründung: "Die streitbefangene Äußerung war jedenfalls an alle 'im SEO-Business' tätigen ...Leser gerichtet. ... Demgemäß sollte die Internetseite mit der streitgegenständlichen Äußerung bestimmungsgemäß auch in Krefeld gelesen werden.”
Kammergericht Berlin - Urteil 5 U 108/06 vom 13.02.2007
Es handelt sich hierbei um eine gängige Praxis insbesondere im Wettbewerbsrecht. Grundsätzlich auch zulässig, allerdings jetzt wohl mit Einschränkung:
Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs kann aber dann nahe liegen, wenn sich die praktizierte Gerichtsstandswahl des Antragstellers/Klägers - offenkundig - dadurch auszeichnet, dass ein dem jeweiligen Gegner ortsfernes Gerichts (weite Entfernung vom Geschäfts- bzw. Wohnsitz des Verletzers) ausgewählt wird und daher davon ausgegangen werden muss, dass die Hauptintention des Anragstellers/Klägers ist, den betreffenden Verletzer mit zusätzlichen Kosten - insbesondere mit Reisekosten - zu belasten bzw. einzuschüchtern. Dies gilt jedenfalls soweit schutzwürdige Interessen des Antragstellers/Klägers oder sachliche Gründe (so etwa auch die Ausnutzung einer für günstigen Rechtsprechungslage) nicht erkennbar sind. (KG Berlin, Beschluss vom 13.02.2007 – Az. 5 U 108/06)
Fliegerangriffe auf Buskeismus.de
Typische Vertreter des fliegenden Gerichtsstandes sind die Anwälte der Berliner Kanzlei Schertz Bergmann und der Kanzlei Höch & Höch, welche z.B. den Hamburger Anwalt Helmuth Jipp gegen den Betreiber der Buskeismus-Site in vertreten und in Berlin und Köln klagen.
Anwalt Dr. Alexander Stopp klagt im Namen von verurteilten Mördern gegen den Betreiber der Buskeismus-Site in Nürnberg und Berlin.
Initiative gegen den fliegenden Gerichtsstand
Herr Plinke vom Autoren-magazin reichte an den Bundestag eine Petition ein. Auf Anregung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages prüft das Bundesministerium der Justiz derzeit [November 2008], ob der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“ eingeschränkt werden soll, um dem verbreiteten Missbrauch bei Einstweiligen Verfügungen zu begegnen. Das Bundesministerium für Justiz hat sich am 4. Noveмember an 34 Vereine und Organisation zwecks Stellungnahme bis zum 31. Januar 2009 gewandt. Die Gesetze sollen bezüglich des "fliegenden" Gerichtsstandes und der "Dringlichkeit" überprüft und ggf. geändert werden.
Wie meinen, dass mehr geändert werden sollte:
- Abschaffung der Anwendbarkeit des § 917 ZPO im Äußerungsrecht.
- Äußerungsverbote sollten zu Ausnahmen gehören. Schlimmstenfalls nur nach den wesentlich strengeren Kriterien, welche heute für eine Geldentschädigung gelten.
- Die Wiederholungsgefahr im Äußerungsrecht sollte auch mit einem einfachen Versprechen (d.h. nicht strafbewehrt) beseitigbar sein.
- Die Abmahnkosten sollten auf maximal 50,00 Euro beschränkt bleiben, für Hinweise Tipp- und Schreibfehler auf max. 10,00 Euro, vgl. Bagatellbeschränkung im Urheberrecht.
Interviewäußerungen von Medienrechtlern zu fliegenden Gerichtsstanhd
- Jan Hegemann FR, 05.01.2009: Der fliegende Gerichtsstand wird keineswegs nur missbraucht. Es kann klug und richtig sein, dass man Presserechtsprozesse vor darauf spezialisierten Kammern führt. Die sitzen dort, wo die großen Medienunternehmen sind: in Hamburg, Berlin und München. Es wäre keinem Betroffenen geholfen, wenn er, ohne den dortigen Richtern zu nahe zu treten zu wollen, beim Landgericht Kleve einen Presseprozess führen müsste - bei einem Richter, der so etwas dreimal im Jahr macht.
Wann beginnt denn der Missbrauch?
Wenn Anwälte die Rechtsprechung einer Kammer mehr oder weniger willkürlich für sich in Anspruch nehmen, weil sie wissen, dass sie dort Dinge erreichen, die sie an dem eigentlich naheliegenden Gericht nicht erreichen. Ganz problematisch wird es, wenn man Verfügungsanträge an drei, vier Gerichten anhängig macht und wartet, welches womöglich die Verfügung erlässt.
- Prof. Schweizer www.kanzlei-prof.-schweizerDer „fliegende Gerichtsstand” ermöglichte es den Prominenten, in der Stadt erfolgreich zu klagen, in welcher die Gerichte erster und zweiter Instanz verfassungswidrig gegen die Medien entschieden. Es dauerte fünf Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht urteilte, diese Begleiterrechtsprechung sei verfassungswidrig. In diesen fünf Jahren waren jedoche Hunderte von Entscheidungen gegen die Medien rechtskräftig geworden und vor allem: Unzählige Beiträge wurden - zum Schaden der Kommunikationsfreiheit - von den eingeschüchterten Medien gar nicht erst veröffentlicht.
Weitere zwei Gründe, welche die Bundesregierung veranlassen müssten, doch noch die Verweisung an die Große Kammer zu beantragen, haben wir gestern an dieser Stelle erwähnt:
Inhaltlich fällt die Entscheidung zur Verweisung in die Zuständigkeit der Länder. Deshalb sollte oder darf die Bundesregierung das Urteil der dritten Kammer nicht allein aus eigener Machtvollkommenheit rechtskräftig werden lassen.
Der zweite weitere Grund: Allzu schnell wird gegen die Medien argumentiert werden, sie sollten die deutsche Verfassung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vergessen. Warum? Wenn die Europäische Menschenrechtskonvention über die Europäische Verfassung zu beachten ist, dann geht das Urteil der dritten Kammer des Straßburger Gerichts vor. Umso mehr müsste ein derart fragwürdiges und unklares Urteil doch wenigstens von der Großen Kammer überprüft werden.