Hamburger Landrecht
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Hamburger Landrecht
Hamburger Landrecht bedeutet, dass Zensurkammern in Hamburg nicht an die Rechtsprechung von anderen Oberlandesgerichten, Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht gebunden sind. Das Hamburger Landrecht beansprucht wegen dem fliegenden Gerichtsstand Geltung auf dem gesamten Kontinent.
Doch Hamburg hatte und hat immer einen Sonderstatus: es ist die erste Adresse für Menschen, die Chancen wg. Verletzung ihrer Persönlichkweitsrechte sehen, gegen Medien zu klagen, aus welchen Gründen auch immer. Meist sind es reine kommerzielle Interessen.
Verhandelt wird immer Freitags, sehr selten an anderen Tagen oder auswärts. Einstweilige Vefügungen,in Form von Beschlüssen, werden jeden Tag ohne Anhöhrung der Antragsgegner erlassen. Schutzschriften finden selten Beachtung. Sind die Anträge juristisch nicht optimal formuliert, telefoniren die Richter mit den Antragstellern und helfen nach, eine juristische sichere einstweilige Verfügung im Namen des Volkes zu erlassen.
Die VIP-Urteile des Landgerichts füllen für ein Jahr sämtliche Klatschspalten der Weltpresse: Tagesschau-Sprecherin Eva Herman und ihr Kollege Jens Riewa erwirken Einstweilige Verfügungen gegen ein Bohlen-Buch. Die Nachrichtenagentur ddp darf auf Betreiben des Kanzlers nicht mehr ein Zitat über "graue Schläfen" verbreiten. Der Schriftstellerin Hera Lind wird die Rekordsumme von knapp 77.000 Euro zugesprochen, weil eine Illustrierte Fotos vom Umkleiden am Strand veröffentlicht hat.
Dass prominente Kläger bevorzugt in Hamburg vorstellig werden, hat einen Grund: Weil Radio- und Fernsehsender bundesweit zu empfangen sind, weil das Gros der Zeitungen und Zeitschriften in jeder deutschen Stadt erhältlich ist, sind auch in jeder Stadt Prozesse gegen die Veröffentlichungen möglich. Der "fliegende Gerichtsstand" erlaubt es dem Kläger, sich an eine beliebige Zivilkammer zu wenden - oder gezielt an jene, die Personen des öffentlichen Lebens gewogen erscheint.
Untrennbar verbunden mit den jüngsten Klagewellen ist der Name des Prof. Matthias Prinz: Seit der Rechtsanwalt einer Frauenzeitschrift für die Veröffentlichung mehrerer Caroline-Fotos 200.000 Mark Schmerzensgeld abknöpfte, gilt Prinz als der König der Kläger. Dass seine Kanzlei in Hamburg sitzt, ist ein Standortvorteil.
Auch auffallend viele Bayern suchen ihr Glück in der Ferne, wenn es Ärger mit Münchner Medien gibt. Haufenweise hagelt es Einstweilige Verfügungen. "Es ist einfach so, dass die in Hamburg und Berlin am leichtesten zu bekommen sind", sagt ein Medien-Justitiar, der die wechselnden Gerichtsstände für ein "Ärgernis" hält: "Die Richter kennen meist die örtlichen Gegebenheiten nicht, können deshalb nicht sachgerecht entscheiden. Erklären Sie mal einem Berliner, wie es in München auf dem Oktoberfest zugeht."
Als besonders skurril gilt der Fall Peter Porsch: Mitte September beauftragte der Leipziger PDS-Spitzenkandidat seinen Potsdamer Anwalt damit, vor dem Hamburger Landgericht gegen Zeitungen in Sachsen zu klagen. Mit Erfolg: Laut Urteil darf Porsch nicht mehr als Inoffizieller Mitarbeiter der früheren DDR-Staatssicherheit bezeichnet werden - obwohl amtliche Dokumente ganz andere Schlüsse zulassen. Das Gericht ging noch weiter: Es untersagte nicht nur die bereits veröffentlichten Inhalte - es unterband auch die künftige Berichterstattung.
"Ich fühle mich ziemlich auf den Arm genommen." Richter Wolfgang Neuschild "Ein Versuch, in die Freiheit der Presse einzugreifen", kritisiert der Geschäftsführer des Deutschen Presserats, Lutz Tilmanns. Auch ihm fällt auf, "dass in letzter Zeit aus der Perspektive der Betroffenen bestimmte Gerichte eine größere Rolle spielen", darunter auch das Landgericht Berlin. Die Pressekammer der Hauptstadt genießt längst einen ähnlichen Ruf wie Hamburg.
Kritiker sprechen von "Klage-Tourismus", doch die renommierte Medienanwältin Dorothee Bölke verteidigt die freie Gerichtswahl: "Das Prinzip ist fair. Wer sich zum Beispiel in München durch den Bericht einer Hamburger Zeitschrift betroffen fühlt, muss die Möglichkeit haben, an seinem Wohnort zu klagen. Alles andere wäre unzumutbar." Obwohl Bölke selbst acht Jahre lang als "Spiegel"-Justitiarin mit den Richtern rang, nimmt sie die Hamburger Pressekammer gegen Kritik in Schutz: Sie sei "über jeden Zweifel erhaben" und arbeite "absolut professionell".
Was die Expertin mehr verunsichert, ist die Rechtsprechung auf europäischer Ebene: Zwar beziehe sich das umstrittene "Caroline-Urteil" des Gerichtshofs für Menschenrechte nur auf Fotos von Prominenten, doch bestehe die Gefahr, dass deutsche Gerichte in "vorauseilendem Gehorsam" künftig auch die Wortberichterstattung einschränken. "Prominenten-Anwälte beginnen den Straßburger Spruch schon jetzt zu instrumentalisieren", warnt Bölke. Dabei sei die "Symbiose zwischen Prominenz und Presse" unübersehbar: "Prominenz entsteht erst durch massenhaft provozierte Aufmerksamkeit."
Nicht selten werden die Gerichte von Prominenten hemmungslos instrumentalisiert. So ließ RTL-Moderator Hans Meiser mit Hilfe der Hamburger Pressekammer verbieten, dass Bilder mit seiner neuen Freundin veröffentlicht wurden. Ein paar Wochen später offenbarte Meiser sein Privatleben nebst Fotos exklusiv im "Stern". Dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Hamburg, Wolfgang Neuschild, platzte der Kragen: "Woher soll ich wissen, dass er die Geschichte kurze Zeit später selbst vermarkten wird? Ich fühle mich ziemlich auf den Arm genommen."
faktisch keine Bindung an höhere Gerichte
Normalerweise müssen sich Gerichte an der Rechtsprechung höherer Gerichte orientieren und insbesondere den Wertungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen. In der Praxis wird jedoch nicht beobachtet, dass etwa Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechte gleichrangig nebeneinander stehen und gegeneinander abgewogen werden. Vielmehr gilt bei den hanseatischen Richtern der Grundsatz, dass im Zweifel zu verbieten ist, während beim Bundesgerichtshof hingegen sogar von einer Vermutung für die freie Rede die Rede ist.
In Hamburg werden oft fiktive Lizenzgebühren und aberwitzige Beträge als Geldentschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzung zugesprochen, die dann in Karlsruhe abgewiesen oder zumindest deutlich reduziert werden.
Da der Rechtsweg nach Karlsruhe jedoch teuer und zeitraubend ist, das Pressegeschäft jedoch kurzlebig ist, findet die Hamburger Zensur kein effektives Korrektiv.
aufhebende Entscheidungen
Entscheidungen, welche den Unfug der Hamburger Zensurkammern korrigieren