7 U 76/09 - 24.11.2009 - VW-Piëch verliert beim OLG Hamburg

Aus Buskeismus

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Inhaltsverzeichnis

[bearbeiten] Prof. Dr. hc. Piech vs. Deutschlandradio

24.11.09: OLG Hamburg 7 U 78/09

Heute war das Berufungsverfahren gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg 324 O 944/09 vom 21. April 2009.

Vier Äußerungen sind seinerzeit verboten worden.

[bearbeiten] Korpus Delicti

Aus dem Urteil 324 O 944/09:

Der Antragsteller ist ehemaliger Vorstandsvorsitzender und jetziger Aufsichtsratsvorsitzender der „Volkswagen AG“. Die Antragsgegnerin strahlte am 15.09.2008 über ihren Radiosender „Detschlandradio.“ ein Interview mit Jürgen Grässlin aus, das sich mit dem Antragsteller befasste. Anschließend stellte sie das Interview unter der Überschrift „Piech-Biograph: Es ist Zeit, dass diese Herren abdanken“ auf ihrer Internetseite als Audio- und als Textdatei (Anlage Ast. 1) zum Abruf bereit.

Anknüpfend an dieses Interview hat der Antragsteller eine einstweilige Verfügung der Kammer vom 29.12.2008 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin untersagt worden ist, folgende Interviewäußerungen G. erneut zu verbreiten:

1. „F. P. wollte immer diesen Großvater überholen, wollte berühmter werden, […]“

2. Prof. Dr. h.c. F. P. habe geäußert: „Ich erkläre G. M. den Krieg“.

3. zu verbreiten: „Er [Prof. Dr. h.c. F. P.] will sicherlich mächtigster Mann in Europa werden.“

4. zu verbreiten: „er [Prof. Dr. h.c. F. P.] ist der deutsche Meister im Entlassen von Vorständen. […] Die ganze Karriere war immer wieder geprägt von Entlassungen, übrigens mit einer ganz üblen Entlassungsmethode. Es dauerte keine halbe Stunde: dann war der Werkschutz da. Dann musste der Schreibtisch geräumt werden. Mehr als 30, 35 Vorstände hat F. P. in diesem Sinne, wenn ich so sagen darf, auf dem Gewissen.“

[bearbeiten] Richter

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht: Frau Dr. Marion Raben
Richterin am Oberlandesgericht: Frau Karin Lemcke
Richter am Oberlandesgericht: Herr Dr. Lothar Weyhe

[bearbeiten] Die Parteien

Antragsteller- / Klägerseite: Kanzlei Prof. Dr. Prinz Neidhardt Engelschall; RA Prof. Dr. Prinz, RA’in Dr. Wißmann
Antragsgegener- / Beklagtenseite: Kanzlei Redeker & Partner; RA Christian Mensching

[bearbeiten] Notizen der Pseudoöffentlichkeit

24.11.09: Berichterstatter der Pseudoöffentlichkeit: Rolf Schälike

Vorsitzende Richterin Frau Dr. Raben: Wir müssen umdenken. Wir müssen sehen, wie sich das auch auf diese Fälle auswirkt. Es geht um die Abwägung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung. Das öffentliche Interesse am Kläger besteht. Die Verbreiterhaftung ebenfalls. Wir haben die BGH Fraport-Entscheidung und die BGH Schrempp-Entscheidung sowie die ganz neue BGH Interview-Enscheidung. In diesem Verfahren geht es um vier Fälle, vier Äußerungen, welche verboten wurden.

Der 1. Fall: „Ferdinand Piech wollte immer diesen Großvater überholen, wollte berühmter werden, […]“. Früher waren wir dazu geneigt zu sagen, es ist eine Tatsachenbehauptung. Man könnte aber auch sagen, es ist eine Interpretation, wie er [Herr Grässlin] heute Herrn Piech wahrnimmt. Es ist die Umschreibung einer Charaktereigenschaft. Wir würden unabhängig von der BGH-Rechtsprechung dem folgen, bei dieser Gesamtabwägung. Herr Piech ist im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Viele fragen, was ist das für ein Mann? Man kann sagen die Vergangenheit ist getrennt, diese geht niemanden etwas an. Aber es gibt die Autobiographie. Deswegen kann man die Frage stellen, was war er in der Vergangenheit? Wir müssen heute anders als früher, wir müssen abwägen.

Der 3. Fall: „Er [Prof. Dr. h.c. Ferdinand Piech] will sicherlich mächtigster Mann in Europa werden.“ Das ist eine Vermutung, ein verdacht, eine Tatsachenbehauptung. Es ist eingebettet in eine Frage, was will er erreichen. Im Grunde genommen, liegt es hier auch nicht fern, dass es ein Psychogramm. Es geht um die Vorbildwirkung dieser Person,. Es geht um die Meinungsfreiheit nach Art. 5 des Grundgesetzes.

Anders in Fall 2: Prof. Dr. h.c. Ferdinand Piech habe geäußert: „Ich erkläre General Motors den Krieg“. Dieses Zitat ist unstrittig falsch. Es gibt bei diesem Zitat kein öffentliches Interesse. Da gibt es die zweite Frage: Haftet das Deutschlandradio für diese Äußerung? Man könnte fragen, wer haftet als Presseorgan? Es kommt hier deutlich als Fremdäußerung. Das scheint uns der Hintergrund zu sein. Das Bundesverfassungsgericht sagt zu Presseschauen, Pressespiegel, dass die Haftung besteht. Aber dort wird verändert. Der BGH sagt, bei einer Mitteilung einer fremden Äußerung ist die Redaktion verpflichtet zu prüfen. Der BGH sieht vor, dass der Wahrheitsgehalt einer weiter gegebenen Äußerung zu prüfen ist. Anders ist es bei Life-Sendungen. Hier hat aber der Deutschlandfunk das Interview ins Netz gestellt. Eine Distanzierung sehen wir nicht. Deswegen gilt die Verbreiterhaftung. Wir rätseln alle über die BGH Interview-Entscheidung [Urteil vom 17. November 2009 – VI ZR 226/08] Wir lassen diese auf uns zukommen.

Der nächste Punkt 4: „er [Prof. Dr. h.c. Ferdinand Piech] ist der deutsche Meister im Entlassen von Vorständen. […] Die ganze Karriere war immer wieder geprägt von Entlassungen, übrigens mit einer ganz üblen Entlassungsmethode. Es dauerte keine halbe Stunde: dann war der Werkschutz da. Dann musste der Schreibtisch geräumt werden. Mehr als 30, 35 Vorstände hat Ferdinand Piech in diesem Sinne, wenn ich so sagen darf, auf dem Gewissen.“ Entlassen wurde unter Druck, sonst hätte man nicht den Wertschutz geschickt. Hier hat der Deutschlandfunk keinen Beweis, keine Glaubhaftmachung erbracht, Der Kläger hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, dass kein Wertschutz in Anspruch genommen wurde und das es geringer als 30 Entlassungen gab. Auch hier gilt die Verbreiterhaftung. Man hätte bei Deutschlandfunk leicht prüfen können. Man hätte denjenigen, der es gesagt hat, fragen können, wo sind die Belege? Soll wohl entscheiden werden. Es ist alles noch nicht wendgültig Mann klönnte im Verfügungsverfahren zu einer Einigung kommen.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Ich danke der Vorsitzenden. Zunächst zu den Punkten 1 und 3. Dass es sich bei diesen Punkten um Meinungsäußerungen handelt, welche die grenzen der Schmähkritik nicht erreicht haben nicht erreiche, ist unstrittig. Im Dez 2008 gab es die Manila-Entscheidung, dann die Schrempp-Grässlin-Entscheidung und jetzt die Markwort-Entscheidung. Wenn man dies alles im Kontext nimmt, so ist das ganze Interview … eine Wertung seines Verhaltens. Grässlin meint, der Antragsteller ist Macht besessen. Herr Piech hat Fehler bei den Entscheidungen gemacht. Der Beschaffungsvorstand Lopez zum Beispiel. … . Es ist ein bewertender Gesamtkomplex. Parallel zur Schrempp-Entscheidung – weshalb ist Schrempp zurück getreten - …. . Es war eine spontane Äußerung. Was ist eine innere Tatsache? Den Großvater überholen … . … mächtigster Mann in Europa. Es geht nicht um tatsächliche Entscheidung, sondern darum, was treibt den Mann? Zu den Ziffern 2 und 4.

Zu Ziffer 2: Ich erkläre dem General Motors den krieg. Es ist kein Zitat. Es geht um die Auseinandersetzung, den Fall López. General Motors hat das als Krieg gesehen.

Zu Verbreiterhaftung. Die Fachgerichte sind gehalten, die Wahrheitspflicht nicht zu überspannen. … Es geht darum, dass es eindeutig eine Fremdberichterstattung war. Beim Interview … bestimmter Vorgang, eine bestimmte Stimme mit den Worten des Interviewten. Es ist eine Stimme aus dem Chor der Meinungen. Es ist nicht eine Pressesichtung, eine Presseschau. Wenn es die Verbreiterhaftung beim Interview gibt, dann darf die Distanzierung nicht überspannt werden. Die erste Distanzierung ist die Form: Frage – Antwort. Danach wird niemand sagen, es ist die Meinung des Deutschlandradios. Wenn man nach Prinz geht, muss man sich distanzieren, dass es auch gar keinen Anschein gibt … . Man muss schreiben,. Es ist alles falsch. In einem solchen Fall, wissen wir nicht, wozu überhaupt ein Interview gegeben werden soll. Das Interview als Mittel wird in Frage gestellt. Das ist in mehrfacher Richtung falsch. Das Landgericht München stellt keinen Blankoscheck aus. Das LG Düsseldorf macht das vielleicht. Unterlassungsanspruch gegen die Äußerung, Richtigstellung und Gegendarstellung … .Grässlin auferlegen, dass er diese Meinung nicht weiter verbreitet. Es geht nicht, Deutschlandradio in die volle Haftung gehen zu lassen. …. Diese Sorge, dass den Medien einen Blankoscheck ausgestellt wird, ist nicht der Fall.

Zur Äußerung 4: „“deutscher Meister im Entlassen von Vorständen.“ Prüfungspflicht … Sie haben eine öffentliche Diskussion über das Verhalten von Herrn Piech. Was für Schrempp gilt, gilt auch für Piech.

Die Vorsitzende: Wenn es stimmt.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: 29 hat er entlassen.

Klägeranwalt Herr Prof. Dr. Prinz dogmatisch: Es geht nicht, dass auf der Internet-Zeitung etwas Falsches steht. Das ist eine falsche Information. Das ist kein Information der Öffentlichkeit. Das ist eine Fehlinformation. Unwahre Tatsachen informieren falsch.

Kommentar der Pseudoöffentlichkeit: Klingt überzeugend und gut. Ist aber falsch. Nasch dieser Prinzlogik darf nicht geschrieben werden, die Erde ist eine Kugel, denn eine echte Kugel ist die Erde nicht. Man darf auch nicht schreiben, „Piech“, denn richtig ist „Piëch“. Wie oft wird „Schälike“ falsch geschrieben „Schälicke“. Liefert „Schälicke“ keine Informationen? Auf die Zahl 30, 35 Vorstände kam es gar nicht an.

Zu den BGH-Entscheidungen. Diese sind nur auf den ersten Blick neu. Es sind alles Einzelfall-Entscheidungen. Das Bundesverfassungsgericht sagt nicht, dass man Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung nicht prüfen braucht. Unwahre und falsche Tatsachenbehauptungen können nicht geschützt sein. Die BGH Grässlin-Entscheidung erging am 27.09.09. Der Fall ist ganz anders. Der Beklagte hat gesagt „ich glaube“. Er hat zu Beginn die Passage gestellt „muss mutmaßen“. Er hat gesagt, man muss prüfen. Bei uns hier sind es Tatsachen, kein Glauben, keine Mutmaßung. Sollen plötzlich Meinungsäußerungen sein.

Die Vorsitzende: Wenn es Meinungsäußerungen sind, dann sind sie geschützt.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Es sind Meinungsäußerungen.

Klägeranwalt Herr Prof. Dr. Prinz: Ich habe Sie aussprechen lassen. Es sind unwahre Tatsachenbehauptungen. Man muss das im Kontext sehen. Man kann es nicht anders sehen.

Die Vorsitzende: Wir kennen die Fälle. Meinen Sie, dass Herr Grässlin tiefere Einsichten hatte, und behaupten konnte , dass Piech der mächtigste Mann in Europa werden wollte?

Klägeranwältin Frau Wißmann: Er stellt es hin als Biograph.

Die Vorsitzende: Welches Interesse hat das Deutschlandradio das ins Netz zu stellen?

Klägeranwalt Herr Prof. Dr. Prinz: Dann muss Deutschlandradio voll haften. Geben Sie eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab und verbreiten Sie es nicht weiter.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Das ist nicht richtig. Bei Lesebriefen, Anzeigen, Presseschauen, Life-Diskussionen kann weit verbreitet werden, auch wenn diese Falsches enthalten.

Die Vorsitzende: Bei den Fälle, die Sie genannt haben, gibt es keine Möglichkeiten, auf Wahrhaftigkeit zu prüfen.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Bei Presseschauen und Leserbriefen geth es, zu prüfen. Es ist nicht so, dass alles, was völlig falsch ist, nicht veröffentlicht werden darf.

Die Vorsitzende: Gibt es etwas in Richtung Einigung?

Klägeranwältin Frau Wißmann: In den Foren ist es so, dass wenn der Betreiber es weiß, dann muss er löschen. Das Interview ist immer noch Online.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Weiß ich nicht. Das ist neu.

Klägeranwalt Herr Prof. Dr. Prinz: Steht immer noch Falsches drin.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Immer noch Online, weiß ich nicht.

Die Vorsitzende: Wenn der Sender sich das recht nimmt, das immer noch im Netz zu lassen … .

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Wie in einer Zeitung? Es ist anders, in der Zeitung steht das dauerhaft.

Die Vorsitzende: Wenn es immer noch im Internet steht, ist es ein starkes Stück.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Ich bestreite, dass es immer noch im Internet steht.

Klägeranwalt Herr Prof. Dr. Prinz: Sie haben gesagt, weiß ich nicht. Vor einer Woche haben wir es noch gesehen. Es ist ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Das Interview ist im Netz, auch mit den verbotenen Passagen?

Klägeranwältin Frau Wissmann überlegt eine Weile: Bin mir nicht ganz sicher.

Beklagtenanwalt Herr Mensching: Soll ich nachfragen? Was ist der Vortrag?

'Die Anwälte verlassen den Saal, um zu prüfen, ob die verbotenen Passagen noch im Netz stehen'. D

Die Vorsitzende nach Wiedereintritt: Wir gehen davon aus, dass entscheiden werden soll. Die Formalien der Berufung sind gewahrt. Anträge werden gestellt. Die Entscheidung erfolgt am Schluss der Sitzung. Der wert der Berufung wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Am Schluss der Sitzung: Der Berufung der Beklagten wurde zum Teil stattgegeben.

[bearbeiten] Urteil 7 U 76/09

Urteii 7 U 76/09 vom 24.11.09

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 21.4.2009 – 324 O 944/08 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 29.12.2008 wird aufgehoben, soweit der Antragsgegnerin untersagt wird, zu verbreiten:

1. „Ferdinand Piech wollte immer diesen Großvater überholen, wollte berühmter werden, [...]“, … 3 . „ Er [Prof. Dr. h.c. Ferdinand Piech] will sicherlich mächtigster Mann in Europa werden.“

Insoweit wird der Erlass der einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Von den Kosten des gesamten Verfahrens haben die Antragsgegnerin 2/3, der Antragsteller 1/3 zu tragen.

[bearbeiten] Kommentar

Erfreulich, dass der Vorsitzende des VI. Senats des BGH der Meinungsfreiheit wesentlich mehr Gewicht beimisst als es die Zensurkammern und Zensursenate in Hamburg und Berlin bisher taten.

Deprimierend ist, dass eine solch wichtige gesellschaftliche Frage von einer einzigen Person, dem Vorsitzenden des VI. Senats des BGH, abhängt.

Einen solchen Zustand kannte ich bis heute nur in den Diktaturen.

[bearbeiten] Das umstrittene Interview

Piech-Biograph: Es ist Zeit, dass diese Herren abdanken Grässlin: In Familien-Clans siegt oft das Eigeninteresse Jürgen Grässlin im Gespräch mit Elke Durak Jürgen Grässlin, Autor einer nicht autorisierten Piech-Biographie und Vertreter der kritischen Aktionäre bei Daimler, hat den VW-Patriarchen und Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch als egoistischen und egozentrischen Machtmenschen bezeichnet. Er befürchte, dass Piech im Kampf um die Macht bei Volkswagen nach dem Einstieg von Porsche und dem Eklat im Aufsichtrat das ganze Unternehmen an die Wand fahren könnte.

Durak: Was will Ferdinand Piech und weshalb? Darum soll es jetzt gehen. Die Eigentümerfamilien Porsche und Piech wollen ihn offenbar von seinem Posten als VW-Aufsichtsratschef verdrängen. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat das Abstimmungsverhalten von Ferdinand Piech am Freitag im VW-Aufsichtsrat. Er hatte dafür gesorgt, dass Porsche gegenüber den Arbeitnehmervertretern eine Niederlage hinnehmen musste. Porsche will ja VW übernehmen, muss nun aber erst einmal künftige Kooperationen mit der VW-Tochter Audi vom Aufsichtsrat von VW genehmigen lassen.

Ich habe über all dies mit Jürgen Grässlin gesprochen, der über Ferdinand Piech ein Buch geschrieben hat. Grässlin ist konsequenter Rüstungsgegner, vertritt die kritischen Aktionäre bei Daimler und ist unter anderem Mitglied von Amnesty International. Meine erste Frage an ihn: was treibt Ferdinand Piech an?

Grässlin: Ferdinand Piech ist der Enkel von Ferdinand Porsche, den nun Jedermann kennt als einen, wenn nicht der größte Konstrukteur aller Zeiten. Erfinder und Konstrukteur des VW Käfer und vieles andere mehr wäre zu nennen. (…) Überhaupt war seine Karriere eher geprägt von Rückschlägen und er hat sich natürlich immer wieder durchgeboxt, aber er war neun Jahre bei Porsche in Stuttgart und der erste Rückschlag war, dass sein Onkel Ferry nach einem Familienstreit allen Familienmitgliedern verboten hat, weiter im operativen Geschäft tätig zu sein. Konsequenz: Ferdinand Piech verließ Porsche daraufhin. Dann war er 21 Jahre bei Audi, wollte Vorstandsvorsitzender werden und fiel dann erst mal bei der Wahl gegen Herrn Habil durch und hat den Aufsichtsrat gedrängt, ihn dann doch zu wählen, was im zweiten Wahlgang dann erst passiert ist. Dann kamen und sind die Auseinandersetzungen bei VW zu nennen. Denken Sie mal an die Fehlentscheidung von Ferdinand Piech, Ignazio Lopez zu holen als Beschaffungsvorstand. (…) Das Ergebnis war, dass das Unternehmen 100 Millionen Dollar an GM zahlen musste und Ersatzteile im Wert von einer Milliarde kaufen musste. Unter anderem kam dann auch die Geldstrafe von 202 Millionen Euro an die EU hinzu wegen Bruch der Wettbewerbsregeln im EU-Recht und, wenn Sie so wollen, auch die Fehlentscheidung überhaupt in der Produktpalette. Wir könnten ganz viel nennen und kommen zu dem Punkt: Ferdinand Piech ist aufgestiegen an die Macht, allerdings mit vielen, vielen Rückschlägen.

Durak: Und was will er erreichen?

Grässlin: (…) Er ist Vorstandsvorsitzender des größten europäischen Autokonzerns VW gewesen. Er ist jetzt Aufsichtsratschef und er will den Daumen draufhalten und weiterhin der mächtigste Mann im Konzern sein. Aber da hat er nun große Schwierigkeiten, denn im zweiten wichtigen Aufsichtsrat, nämlich dem von Porsche, sitzt inzwischen Wolfgang Porsche als Aufsichtsratsvorsitzender, sozusagen das zweite Glied des Porsche-Piech-Klans, und der redet ihm natürlich kräftig rein.

Durak: Ist es eine unternehmerische Fehlentscheidung von Ferdinand Piech gewesen, sich gegen Porsche bei dieser Aufsichtsratssitzung zu wenden, oder ist das ein persönlicher Schachzug gewesen?

Grässlin: Es ist auf jeden Fall so, dass die Familie Piech zwei Mitglieder im Porsche-Aufsichtsrat hat. Das ist Ferdinand Piech selbst, das ist Hans-Michael Piech. Und auf der anderen Seite sitzen der Sohn Ferdinands Oliver, also der Sohn von Ferdinand-Alexander Porsche, Hans-Peter Porsche und eben - und jetzt wird es spannend - Wolfgang Porsche als Aufsichtsratsvorsitzender. Damit ist das alte Gefüge, die alte Stabilität weg, die damals von Luise Porsche und Ferry Porsche, den Eltern, gewünscht war. Und das Ergebnis ist, dass wir inzwischen eine offene Familienfehde haben, vor allem eben zwischen Ferdinand Piech und Wolfgang Porsche, und darunter leiden natürlich beide Unternehmen, der Sportwagenhersteller Porsche AG in Stuttgart und natürlich auch die VW AG in Wolfsburg.

Durak: Kann es wirklich sein, dass diese Unternehmer, die ja wirklich ihre Erfolge auch gebracht haben, ihre persönlichen, ihre Familienfehden wirklich auf dem Rücken der Unternehmen austragen werden bis zuletzt?

Grässlin: Schlimmer noch: auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Wir wissen ja aus der Erfahrung vergangener Jahre und Jahrzehnte, dass es dann immer wieder Arbeitsplätze kostet, weil das Image der Unternehmen dann geschädigt ist und im Automobilbereich ist Image ein ganz wichtiger Punkt. Das ist auch wieder typisch für Ferdinand Piech, wenn Sie zurückblicken. Man kann es mal etwas platt sagen: (…) Ich habe den Eindruck, dass er jetzt wieder durchziehen will, eben auf Kosten des Images des Unternehmens und gegebenenfalls auch der Beschäftigten.

Durak: Herr Grässlin, irgendwie drängen sich doch Vergleiche auf. Wir hatten ja gerade die Lösung für Bayreuth und haben zuvor über Jahre den Familienzwist bei den Wagners miterlebt, mitbeobachtet. Sind hier wirklich Vergleiche zu ziehen?

Grässlin: Es sind insofern Vergleiche zu ziehen, dass hier Machtmenschen sind. Sie können ja auch Jürgen Schrempp und seinen Familien-Klan bei Daimler nennen. Da gibt es Menschen an der Spitze, bei denen man den Eindruck gewinnen will, dass persönliche Interessen über denen des Unternehmens stehen. Machtinteressen, auch persönliche Karrieren und das nicht los lassen können haben wir bei Schrempp erlebt und jetzt wieder bei Ferdinand Piech.

Durak: Ich möchte mit Ihnen gemeinsam doch noch mal auf die Unternehmen schauen. Porsche will bis November 51 Prozent der VW-Aktien kaufen. Wäre VW damit verloren?

Grässlin: Verloren nicht erst mal. Es kann ja auch eine Schutzfunktion geben. Denken wir noch mal an BMW und die dortige Beteiligung des Großfamilien-Klans oder der Familie Quant. Das hat Vorteile in dem Sinne, dass feindliche Übernahmen erschwert werden. Daimler hat gerade das Problem, dass Cavian Capital, ein schwedischer Hedgefond, massiv einsteigen will. Es hätte einen Vorteil, nämlich eine gewisse Absicherung. Auf der anderen Seite hat es natürlich den großen Nachteil, dass Familieninteressen plötzlich über Konzerninteressen stehen und ein Großkonzern, der größte Autokonzern Europas Volkswagen, plötzlich Opfer werden kann dieses Familienzwists.

Durak: Gehen die Zeiten von solchen Eigentümerfamilien mit langer Tradition zu Ende?

Grässlin: Ich hoffe, dass dem so ist. Es darf ja nicht sein, dass einzelne Herren, die meinen, sie müssten die mächtigsten Manager der Welt sein - treffendstes Beispiel wäre Jürgen Schrempp mit all seinen Fehlentscheidungen -, ganze Unternehmen in Gefahr bringen. Jürgen Schrempp hat 45 Milliarden Börsenwertverlust zu verbuchen bei Daimler. Ferdinand Piech hat es bisher geschafft, das Unternehmen Volkswagen an der Spitze in Europa mitzuhalten, aber es gibt da keine Garantien. Wir haben Überproduktionen auf dem Automobilmarkt und es besteht die große Gefahr, wenn Ferdinand Piech weiterhin meint, Eigeninteressen durchzusetzen, dass auch Volkswagen an die Wand fährt.

Durak: Sie sehen das alles sehr, sehr kritisch, sind ja nicht ohne Grund Vertreter der kritischen Aktionäre bei Daimler, Herr Grässlin. Aber gibt es nicht auch große Unternehmen hier in Deutschland, von Eigentümerfamilien geführt, die sehr positiv agieren, auch im Sinne ihrer Arbeitnehmer?

Grässlin: Ich hatte die Familie Quant genannt. Da sehe ich es durchaus anders, weil die Quants sich eben auch im Hintergrund gehalten haben. Wann erleben sie mal, dass ein offener Zwist auf der Bühne der Öffentlichkeit, sogar der Weltöffentlichkeit ausgetragen wird bei BMW? Bei den Piechs und Porsches ist das anders. Das sind zwei Familien-Klans, die sich natürlich notgedrungener Weise aufgrund auch ihrer Historie zusammengefunden haben, auch zusammenfinden müssen - denken Sie an den Vertrag bei der Porsche AG, der ja regelt, dass erst mal eine Gesellschafterversammlung stattfinden muss, bevor man dann in den Aufsichtsrat geht, wo man einstimmig oder einheitlich abstimmt. Aber nichts desto Trotz scheinen da Leute sehr egoistisch und egozentrisch ihre Interessen auszutragen und ich denke, dass die Zeit jetzt gekommen ist, dass diese Herren abdanken und wieder die Rationalität in den Vorständen großer deutscher Konzerne einzieht.

Durak: Ein Gespräch mit Jürgen Grässlin. Er hat ein Buch über Ferdinand Piech geschrieben.


Quelle:' Stand 25.11.09, 8:00 Deutschlandfunk

[bearbeiten] Wichtiger Hinweis

Für diesen Bericht gilt, was für alle Berichte gilt: Alles, was in den Berichten steht, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit. Beweisen können die Berichterstatter nichts; geurteilt nach den strengen Regeln der Zensurkammern, sind die Recherchen der Berichterstatter erbärmlich. Was in den Berichten in Anführungszeichen steht, ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft wird eine falsche Zeichensetzung verwendet. Dafür haben schon mehrere Berichterstatter in Deutschland Heute gesessen. Die Berichterstatter möchten für ihre mangelnde Kenntnis der Grammatik und Syntax bzw. deren nicht exakte Anwendung nicht noch ein weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht lediglich auf den während der Verhandlung geführten handschriftlichen Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen stehen, als Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen können die Berichterstatter als Pseudoöffentlichkeit nichts. Auch Zeugen gibt es keine. Sowohl Anwälte als auch Richter werden sich an nichts erinnern - sie haben Besseres zu tun. Was merkwürdig erscheint, muss von Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden. Eine Meinung besitzen die Berichterstatter von der Pseudoöffentlichkeit nicht. Es handelt sich lediglich um Verschwörungstheorien.


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