Oskar Lafontaine OLG
Aus Buskeismus
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 7 U 18/04
Entscheidung vom 9. November 2004
In dem Rechtsstreit
Oskar Lafontaine
gegen
...
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 7. Zivilsenat, durch die Richter Dr. ..., ..., ... nach der am 21. September 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 9. Januar 2004 - Geschäftsnummer 324 O 554/03 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
[bearbeiten] Gründe:
gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 u. 2 ZPO:
1. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger wegen der Verwendung seines Bildnisses in einer Werbeanzeige eine fiktive Lizenz in Höhe von EUR 100.000,-- zu zahlen.
Der Kläger trat am 11. März 1999 von seinen Ämtern als Bundesminister der Finanzen und als Vorsitzender der SPD zurück. Die Beklagte betreibt als eine Konzerntochter des Autovermieters ... AG das Fahrzeug-Leasing-Geschäft. Sie schaltete in der "Welt am Sonntag" vom 21. März 1999 halbseitig eine Werbeanzeige, die Portraitaufnahmen von 16 Mitgliedern des damaligen Bundeskabinetts einschließlich des zurückgetretenen Klägers zeigt, wobei das Bild des Klägers, der weiterhin erkennbar bleibt, als einziges mit einem weißen "X" durchgestrichen ist. In der unteren Hälfte der Anzeige befindet sich der Text "... verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit", in der oberen rechten Ecke das Logo "... rent a car": Die gleiche Anzeige erschien doppelseitig in der "Frankfurter Allgemeine" vom 22. März 1999. Wegen Einzelheiten hinsichtlich des Inhalts und der Gestaltung der Anzeige wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
Die Beklagte bekämpft die Verurteilung mit der form- und fristgemäß eingereichten Berufung und macht dabei geltend, dass sie nicht in eine geschützte Rechtsposition des Klägers eingegriffen habe. Bei der Verwendung eines Bildes sei ein materieller Ausgleich grundsätzlich nur in Fällen geschuldet, in denen die Erlaubnis zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild üblicherweise von der Zahlung eines Entgelts abhängig gemacht werde. Dies sei bei Personen, die ihre Bildnisse grundsätzlich nicht kommerziell nutzten, nicht gegeben. Zu Unrecht habe das Landgericht die Frage der Vermarktungsbereitschaft des Klägers offen gelassen und nicht festgestellt, dass der Kläger bereit gewesen wäre, sein Bild für die streitgegenständliche satirisch-spöttische Anspielung auf seinen Rücktritt zur Verfügung zu stellen. Ein Ausgleichsanspruch scheide ferner aus, wenn der Abschluss eines Lizenzvertrages gegen § 134 BGB verstieße oder die Kommerzialisierung des Bildes im Sinne von § 138 BGB sittenwidrig wäre. Da die streitgegenständliche Anzeige nicht etwa auf den Kläger als Privatmann, sondern auf sein früheres Ministeramt anspiele, scheitere die Annahme einer kommerzialisierbaren und daher ausgleichspflichtigen Vermögensposition des Klägers bereits daran, dass er allein schon aus Gründen des Anstands und der Sittlichkeit nicht mit seinem Amt hätte werben dürfen. Auch Art. 66 GG verbiete ein gewerbliches Tätigwerden von Bundesministern nicht ohne Grund, sondern gerade wegen der sittlichen Unvereinbarkeit von Amt und Kommerz, auch um eine sachfremde Beeinflussung und Belastung des dem öffentlichen Interesse dienenden Amtes zu verhindern. Da die Rücktrittserklärung des Klägers nur wenige Tage vor dem Erscheinen der Anzeige erfolgt und dem Kläger die Entlassungsurkunde noch nicht ausgehändigt worden sei, hätte es die Würde des noch innegehabten Amtes dem Kläger verboten, dieses Amt kommerziell "auszuschlachten". Zudem hätte die werbliche Vermarktung seines Bildes wegen der Möglichkeit einer unsachlichen Beeinflussung der Kaufentscheidung des Kunden auch gegen § 1 UWG verstoßen.
Jedenfalls sei die Benutzung des klägerischen Bildes gerechtfertigt. Die Werbeanzeige enthalte eine in die Form der Satire gegossene politische Äußerung, nämlich die ironische Gleichsetzung der Bundesminister mit "Mitarbeitern in der Probezeit" und den kritischen Spott über die rasche Amtsaufgabe des Klägers. Demgemäß enthalte die Anzeige nicht nur Werbung, sondern auch eine durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung und sei zudem durch das schrankenlos gewährleistete Grundrecht der Kunstfreiheit geschützt. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie der Meinungs- und Kunstfreiheit gegenüber dem vermeintlich verletzten rein kommerziellen Interesse des Klägers der Vorrang einzuräumen.
Schließlich habe das Landgericht bei der Bemessung der Höhe der Lizenz fälschlich unberücksichtigt gelassen, dass der Wert der Werbung im vorliegenden Fall nicht im Sympathiewert des Klägers, sondern überwiegend in dem "Witz" liege, der auf die Umstände seines Rücktritts anspiele. Der Aufmerksamkeitswert der Anzeige sei deshalb dem Kläger und dem Urheber des "Witzes" gemeinsam zuzuordnen, wobei der Kläger versäumt habe darzulegen, welcher Anteil davon ihm gebühre. Dem Kläger könne aber nur das zugesprochen werden, was sie auf seine Kosten, nicht aber das, was sie auf Grund ihres eigenen "Witzes" oder aus dem "Geist" des Urhebers der Anzeige erlangt habe. Da zudem in der Anzeige 15 weitere Politiker abgebildet seien, könne der Kläger einen Ausgleich für den bildlichen Anteil am Aufmerksamkeitswert der Anzeige ohnehin nur kopfanteilig fordern. Die vom Landgericht im Rahmen der Schätzung gemäß § 287 ZPO einbezogenen Vergütungssätze von professionellen Werbeträgern hätten mangels Vergleichbarkeit nicht berücksichtigt werden dürfen. Vielmehr hätte das Landgericht darauf abstellen müssen, zu welchem Preis der Verletzte selbst (und nicht irgendwelche andere Personen) über diese Form der Nutzung seiner Persönlichkeit einen Vertrag geschlossen hätte, wenn er vor der Veröffentlichung gefragt worden wäre. Auch hätte ihre (der Beklagten) übliche Vergütungspraxis zumindest Eingang in die Schätzung finden müssen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 9. Januar 2004 insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
2. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB auf Zahlung einer fiktiven Lizenz in Höhe von EUR 100.000,-- zuerkannt. Deshalb kann dahin stehen, ob der Zahlungsanspruch darüber hinaus auch auf die §§ 823 BGB, 22, 23 KUG gestützt werden kann.
a) Indem die Beklagte das Bildnis des Klägers im Rahmen ihrer Werbeanzeige nutzte, hat sie in rechtswidriger Weise in das dem Kläger zustehende Recht am eigenen Bild eingegriffen und damit zugleich auf Kosten des Klägers einen vermögenswerten Vorteil erlangt.
aa) Mit der Veröffentlichung des in Rede stehenden Fotos hat die Beklagte das Recht des Klägers am eigenen Bild verletzt (§ 22 KUG). Eine Einwilligung für die Veröffentlichung ist vom Kläger unstreitig nicht erteilt worden. Die Zustimmung des Klägers wäre indessen erforderlich gewesen, da die Voraussetzungen für eine einwilligungsfreie Veröffentlichung nicht gegeben sind, selbst wenn der Kläger als eine Person der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG anzusehen wäre.
(1) In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass sich die für Personen der Zeitgeschichte vorgesehene Abbildungsfreiheit nicht auf Veröffentlichungen erstreckt, die ausschließlich den Geschäftsinteressen eines mit der Abbildung für seine Waren oder sonstige Leistungen werbenden Unternehmens dienen. Der Schutzzweck des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erfasst nämlich keine Veröffentlichungen, an denen ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit nicht anzuerkennen ist. Mit der Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG hat der Gesetzgeber dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach einer sachgerechten bildmäßigen Information Rechnung getragen, d.h. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, der Presse und anderen Publizierenden die Möglichkeit zu geben, die Allgemeinheit über bedeutsame Ereignisse und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens durch Bildveröffentlichungen zu unterrichten, ohne dabei an die Erteilung einer Einwilligung des bzw. der Abgebildeten gebunden zu sein. An allein den Geschäftsinteressen dienenden werblichen Bildveröffentlichungen ist indes ein solches schutzwürdiges Informationsinteresse nicht zu erkennen. Dies hat zur Folge, dass Abbildungen, die ausschließlich der Produktwerbung dienen und sich damit nicht mit dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit rechtfertigen lassen, von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG herausfallen (BGHZ 20, 345, 350 - "Paul Dahlke"; BGH, NJW 1992, 2084; BGH, NJW 1997, 1152 - "Bob Dylan"; BGH, NJW 2000, 2195, 2200 - "Marlene Dietrich").
In den Fällen, in denen eine Werbeanzeige nicht allein dem Geschäftsinteresse dient, sondern zugleich einem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, können die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erfüllt sein. Ist dies zu bejahen, ist dieses in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Informationsinteresse indes im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG mit den ebenfalls verfassungsrechtlich (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) geschützten berechtigten Interessen desjenigen, der sich gegen die Bildveröffentlichung wehrt, abzuwägen. Das Rechtsgut, in das mit ungenehmigten Veröffentlichungen von Bildnissen zu Werbungszwecken eingegriffen wird, ist - neben dem Recht am eigenen Bild - die allein dem Abgebildeten zustehende freie Entscheidung darüber, ob und in welcher Weise er sein Bild Geschäftsinteressen Dritter dienstbar machen will (BGHZ 20, 345, 350 - "Paul Dahlke"; BGH, AfP 1995, 495; 789; BGH, NJW 1997, 1152 - "Bob Dylan") und nicht - wie die Beklagte meint - ein rein kommerzielles Interesse des Angebildeten.
Werbung, die nicht nur einen meinungsbildenden Inhalt hat, sondern sich darüber hinaus künstlerischer Mittel bedient, kann neben dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch den der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG genießen (BVerfG, NJW 2001, 591, 594 - "Benetton-Werbung I"; BGH, NJW 2000, 2195, 2200 - "Marlene Dietrich"). Dies bedeutet indes nicht, dass Wirtschaftswerbung, die in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fällt, ohne Rücksicht auf die Rechte anderer generell zulässig wäre. Vielmehr ist dann, wenn sowohl das werbende Unternehmen als auch der für eine Werbung Vereinnahmte von Verfassung wegen geschützte Rechte für sich in Anspruch nehmen kann, das zwischen diesen Rechtspositionen bestehende Spannungsverhältnis durch eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange zu lösen.
(2) Die streitgegenständliche Werbeanzeige dient nicht ausschließlich dem Geschäftsinteresse der Beklagten, sondern enthält eine in die Form der Satire gegossene politische Meinungsäußerung. Die Beklagte setzt sich in ironischer Weise mit dem nach kurzer Amtszeit erfolgten Rücktritt des Klägers auseinander, indem sie die abgebildeten 16 Bundesminister mit Mitarbeitern in der Probezeit vergleicht und hierbei das Foto des zurückgetretenen Klägers symbolisch durchgestrichen hat. Ob dieser "Witz" als Kunst im Sinne der Grundrechtsgewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG anzusehen ist, erscheint zweifelhaft. Satire kann Kunst sein; nicht jede Satire ist jedoch Kunst. Das ihr wesensgleiche Merkmal, mit Verfremdungen, Verzerrungen und Übertreibungen zu arbeiten, kann auch ein Mittel der einfachen Meinungsäußerung sein (BVerfG, NJW 1992, 2073). Wo bei satirisch gemeinten Äußerungen die Grenze zwischen der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verläuft und ob die satirische Äußerung in der streitgegenständlichen Anzeige im Schutzbereich beider Grundrechte liegt, bedarf indes vorliegend keiner Entscheidung. Selbst wenn auf die Werbeanzeige nicht nur Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern auch das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG angewendet wird, muss das Interesse der Beklagten an der Veröffentlichung der Anzeige hinter dem dem Kläger zukommenden Persönlichkeitsschutz zurückstehen.
Der Kläger hat ein berechtigtes aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) folgendes Interesse daran, nicht ohne Einwilligung von einem anderen zu Werbezwecken eingesetzt zu werden. Der Einzelne hat grundsätzlich das Recht, selbst zu bestimmen, ob und wofür mit seinem Bild geworben wird. Gerade Personen des öffentlichen Lebens, die ohnehin im besonderen Maße der Kritik und der Beachtung der Öffentlichkeit ausgesetzt sind, müssen es in der Regel nicht auch noch hinnehmen, ihren Bildnissen als Blickfang in Werbeanzeigen zu begegnen.
Ob ein Bild zur Werbung eingesetzt worden ist, ist aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters zu beurteilen (BGH, NJW-RR 1995, 789). Dieses ist vorliegend ohne weiteres zu bejahen; in der Anzeige ist nicht nur das Firmenlogo abgedruckt, vielmehr wird der Leser mit dem hervorgehobenen Text "... verleast auch Autos ..." ausdrücklich auf die gewerblichen Leistungen der Beklagten hingewiesen. Es entspricht zudem der allgemeinen Erfahrung und Übung, dass Zeitungsanzeigen von gewerblich tätigen Unternehmen zur Umsatzförderung bestimmt sind und vom Verbraucher in dieser Weise verstanden werden. Das Bild des Klägers wird zwar nicht eingesetzt, um einen Sympathie- oder Imagewert des Klägers für das Produkt der Beklagten auszunutzen. Es wird aber verwendet, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu erwecken und diese auf den Inhalt der Anzeige und das beworbene Produkt zu lenken. Auch der "Witz" auf Kosten des Klägers erzielt eine Werbewirkung für die Beklagte, da dieser dem Rezipienten besonders in Erinnerung bleibt.
Aus Lesersicht steht bei der streitigen Anzeige, in der das Leasinggeschäft der Beklagten an hervorgehobener Stelle ausdrücklich angesprochen wird, der Zweck der Produktwerbung deutlich im Vordergrund. Dieser Umstand muss letztlich dazu führen, dass das durch die Meinungs- und Kunstfreiheit geschützte Interesse der Beklagten gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zurücktreten muss. Zwar ist der Stellenwert des durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Freiheitsrechts hoch zu veranschlagen. Erhebliche Bedeutung hat aber das aus dem Persönlichkeitsrecht folgende Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen über den Einsatz seiner Persönlichkeit im Rahmen von Werbung für die geschäftlichen Interessen Dritter. Ebenso muss berücksichtigt werden, dass im Bereich der Werbung - insbesondere z.B. bei Reklame mittels Fernsehspots - häufig künstlerische Elemente eingesetzt werden. Dies kann indes nicht bedeuten, dass prominente Persönlichkeiten es grundsätzlich hinzunehmen hätten, z.B. in derartigen Filmwerken ohne Einwilligung gezeigt und für das beworbene Produkt vereinnahmt zu werden. Vielmehr muss die Kunstfreiheit dort ihre Grenze finden, wo die künstlerische Betätigung die von Verfassung geschützten Belange Dritter in schwerwiegender Weise beeinträchtigt. Ein Eingriff in diesen geschützten Bereich lässt sich auch unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts der Kunstfreiheit nicht rechtfertigen.
bb) Mit dem Eingriff in das dem Kläger zustehende Recht am eigenen Bild hat die Beklagte zugleich auf dessen Kosten einen vermögenswerten Vorteil erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB). Dabei mag offen bleiben, ob das Erlangte im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Nutzung des Bildnisses (so OLG München, WRP 1995, 744, 747; Gerstenberg/Götting in Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., § 60 / §§ 33 - 50 KUG, Rn. 6) oder in der Ersparnis des für die Nutzung normalerweise zu entrichtenden Entgeltes (so BGH, NJW 1979, 2205, 2206 - "Fussballtorwart") zu sehen ist. In dem einen wie dem anderen Fall ist die Beklagte jedenfalls rechtsgrundlos bereichert und demgemäß dem Kläger zur Auskehrung der Bereicherung verpflichtet, wobei sie entweder - da die Nutzung des Bildnisses nicht herausgegeben werden kann - für diese gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten oder den Wert der ersparten Aufwendungen zu ersetzen hat, was betragsmäßig im Ergebnis keinen Unterschied macht. Denn in beiden Fällen hat die Beklagte eine sogenannte fiktive Lizenzgebühr zu entrichten, die nach jenem Entgelt zu bemessen ist, welches die Beklagte hätte entrichten müssen, um die Einwilligung des Klägers zur Verwendung seines Bildnisses zu erhalten.
(1) Auf die Frage, ob der Kläger bereit gewesen wäre, seine Zustimmung für die Veröffentlichung zu erteilen, kommt es für den Anspruch aus §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Kläger rechtlich die Möglichkeit der Nutzung des Rechts an seinem Bildnis hatte, auch wenn er es nicht in der hier in Rede stehenden Art und Weise nutzen wollte, und die Beklagte diese Nutzung ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Bereicherung der Beklagten entspricht somit der Entreicherung des Klägers um die Möglichkeit, der Beklagten das Nutzungsrecht einzuräumen (vgl. OLG München, WRP 1995, 744, 747f.). Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn der Kläger zu erkennen gegeben hätte, er lehne grundsätzlich eine Benutzung seines Bildnisses in Werbeanzeigen ab, auch wenn ihm dafür ein angemessenes Honorar gezahlt werde (so BGH, NJW 1979, 2205, 2206 - "Fussballtorwart"; a.A.: Gerstenberg/Götting, a.a.O., Rd. 5 und Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rd. 16), kann dahin stehen. Eine solche Erklärung hat der Kläger nicht abgegeben.
(2) Ohne Erfolg muss der Einwand der Beklagten bleiben, dass der Kläger aus Gründen des Anstands und der Sittlichkeit nicht mit seinem Amt habe werben dürfen und dass deshalb ein Lizenzvertrag gemäß § 138 BGB nichtig gewesen wäre. Zweifelhaft erscheint bereits, ob sich ausgerechnet der unberechtigte Nutzer des Bildnisses darauf berufen kann, dass er die von ihm in Anspruch genommene Leistung bei rechtstreuem Verhalten nicht erhalten hätte. Dies kann indes dahin stehen, da ein zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossener Lizenzvertrag nicht nichtig gewesen wäre.
Insbesondere wäre ein Lizenzvertrag nicht wegen Verstoßes gegen die von der Beklagten angeführte Regelung des Art. 66 GG nichtig. Zwar steht der Anwendbarkeit des Art. 66 GG zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeigen nicht entgegen, dass der Kläger bereits zuvor am 11. März 1999 seinen Rücktritt vom Regierungsamt erklärt hatte. Maßgeblich für das Ende des Regierungsamts ist nämlich nicht der Zeitpunkt der Rücktrittserklärung durch den Amtsinhaber, sondern der Zeitpunkt der Übergabe der Entlassungsurkunde durch den Bundespräsidenten (vgl. nur Meyn in von Münch/Kunig, GG, 4./5. Aufl., Art. 64 Rd. 10, 13). Entscheidend ist vielmehr, dass auch dann, wenn der Kläger durch Art. 66 GG gehalten war, seine Bildnisse nicht kommerziell zu nutzen, ein entsprechender Lizenzvertrag nicht gemäß § 134 BGB nichtig gewesen wäre. Ist ein Regierungsmitglied ernannt und stellt sich eine Unvereinbarkeit nach Art. 66 GG heraus, so ist das Regierungsmitglied gehalten, die Unvereinbarkeit selbst zu lösen, also entweder den Rücktritt vom Regierungsamt zu erklären oder das unvereinbare Amt, Gewerbe oder den Beruf einzustellen. Ein automatisches Erlöschen der beruflichen Tätigkeit ist in Art. 66 GG nicht vorgesehen und wird auch nicht angenommen (Epping in von Mangold/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 66 Rd. 42; Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 66 Rd. 2; Schneider in AK GG, 3. Aufl., Art. 66 Rn. 3, 6f.; Herzog in Maunz/Dürig, GG, 23. Lfg., Art. 66 Rn. 13, 43f., Oldiges in Sachs, GG, 3, Aufl., Art. 66 Rn. 16.).
Da selbst aus der Verfassungsnorm des Art. 66 GG, in welcher das Gewerbe- und Berufsausübungsverbot von Mitgliedern der Bundesregierung aufgestellt ist, nicht die Nichtigkeit eines Lizenzvertrages gemäß § 134 BGB folgte, kann auch die Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nicht mit dem Argument einer sittenwidrigen Kommerzialisierung der Amtstätigkeit angenommen werden. Im Falle des Konfliktes zwischen außerhalb des Rechts liegenden moralischen Anschauungen und der im Recht verkörperten Werteordnung hat die letztere, sofern diese verfassungsgemäß ist, den Vorrang (vgl. BGH, NJW 1970, 1179; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 138 Rd. 18).
Entgegen der Auffassung der Beklagten würde eine Nichtigkeit eines Lizenzvertrages auch nicht aus § 1 UWG folgen. Selbst wenn man der Beklagten darin folgte, dass ihre Werbeanzeige gegen § 1 UWG verstößt, so wäre deshalb ein mit dem Kläger abgeschlossener Lizenzvertrag über die Nutzung seines Bildnisses nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB (vgl. BGH, WRP 1998, 854, 855).
b) Demnach kann der Kläger die von der Beklagten erlangte Bereicherung herausverlangen, d.h., die Beklagte hat - wie bereits oben ausgeführt - Wertersatz für die Bildnisnutzung bzw. für die von ihr ersparten Aufwendungen zu leisten, und zwar in Höhe jenes Entgeltes, welches der Kläger für die Erteilung seiner Einwilligung zur Verwendung der in Rede stehenden Fotografie erhalten hätte. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, ob und in welcher Höhe die Beklagte üblicherweise Honorare für Bildrechte zahlt und ob und in welcher Höhe sie bereit gewesen wäre, für eine Werbung mit dem Foto des Klägers eine Vergütung zu zahlen. Die Beklagte muss sich vielmehr an der Sachlage, die sie selbst geschaffen hat, festhalten lassen (BGHZ 20, 345, 355 - "Paul Dahlke"; BGH, NJW 1992, 2084, 2085).
Das Landgericht hat die Höhe der fiktiven Lizenz in zutreffender Weise mit EUR 100.000,-- bemessen. Da unmittelbare Vergleichswerte nicht existieren, weil der Kläger Abbildungen seiner Person für Veröffentlichungen wie die vorliegende bisher nicht zur Verfügung gestellt hat, ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Entgeltes in entsprechender Anwendung des § 287 ZPO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, also u.a. die Auflagenstärke und Verbreitung der die Werbeanzeige enthaltenen Zeitschrift, die Art und Gestaltung der Anzeige sowie die Werbewirkung der Bildveröffentlichung (BGH, NJW 1992, 2084, 2085). Das Landgericht hat zu Recht davon abgesehen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, da auch ein Sachverständiger nur Vergleichsfälle heranziehen könnte und dem Landgericht mit dem Fall des Landgerichts München I vom 13. März 2002 (ZUM 2002, 565 - "Boris Becker" = Anl. B 2) eine hinreichende Schätzgrundlage gegeben war. Ausgehend von der vergleichbaren Fallgestaltung - auch im Fall des Landgerichts München I wurde mit dem Foto einer prominenten Persönlichkeit im Rahmen einer in einer Tageszeitung verbreiteten Werbung geworben - hat das Landgericht unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände, nämlich Verbreitungsgrad, Art und Gestaltung der Anzeige sowie Werbewirkung des Bildes des Klägers, eine Lizenz von EUR 100.000,-- für angemessen erachtet. Der Senat hält diese Schätzung, wobei hinsichtlich Einzelheiten auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden kann, für richtig. Die von der Beklagten gegen diese Schätzung erhobenen Einwände verfangen nicht. Nicht zu beanstanden ist, dass der herangezogene Vergleichsfall einen professionellen Werbeträger, also einen Prominenten betraf, der mehrfach Werbeverträge abgeschlossen hatte. Entscheidend ist insoweit allein, welche Werbewirkung dem verwendeten Bildnis zukommt, die naturgemäß nicht davon abhängt, ob ein Prominenter auch für andere Produkte wirbt. Soweit die Beklagte geltend macht, die fiktive Lizenz des Klägers müsse deshalb geringer ausfallen, weil auch dem Urheber der Anzeige sowie den anderen abgebildeten Politikern ein Anteil am Werbewert der Anzeige zukomme, kann ihr bereits im Ansatz nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt worden ist, ist das Erlangte im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht der Werbewert der Anzeige, sondern die Nutzung des Bildnisses bzw. die Ersparnis des für die Nutzung normalerweise zu entrichtenden Entgeltes.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
(Unterschriften)
[bearbeiten] Kommentare
Leitsätzliches aus wirhöft & terhaag
Ehemalige Bundesminister sind zwar Personen der Zeitgeschichte, doch erstreckt sich die Abbildungsfreiheit nicht auch Veröffentlichungen, die ausschließlich geschäftlichen Interessen dienen. Es entsteht ohne Einwilligung ein fiktiver Lizenzvertrag bei Verwendung des Bildes in der Webung. Somit ist vorliegend ein Wertersatz in Höhe von € 100.000 zu leisten. Die Kunstfreiheit tritt hinter das Recht am eigenen Bild zurück. Keine Fotos von Bundesministern in der Werbung - OLG Hamburg, Urteil vom 9. November 2004, AZ.: 7 U 18/04
[bearbeiten] Siehe auch
BGH-Entscheidung zu Oskar Lafontaine
Kategorien: Urteil | Kunst | OLG Hamburg