Arme Sau - erlaubt

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-Der Vorwurf '''betrügen''' kann erlaubt sein.+Äußerung Bohle sei eine '''arme Sau''' kann erlaubt sein.
-Siehe auch [[Betrüger - erlaubt]]+=Urteil=
-=Urteile=+Urteil [http://www.kanzlei-prof-schweizer.de/bibliothek/urteile/index.html?id=15508 Urteil ] - 17.09.2012 - Amtsgericht Hamburg-Mitte Az. font color="brown">'''32 C 57/12'''</font>
-*Beschluss des LG Berlin <font color="#800000">'''27 O 814/09'''</font> vom 03.09.2009:+'''Kläger:''' Dieter Bohlen, vertrteen von dwer Kanzlei Nesselhauf
-::Der Antrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Unterlassung aus den allein denkbaren Anspruchsgrundlagen §§ 823, 1004 Aus, 1 analog BGB, §§ 135 ff. StGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Die angegriffene Äußerung stellt eine zulässige Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG dar, die den Antragsteller nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.+'''Beklagter:''' Zeitschrift "Freizeit Spaß", vertreten von der Kanzlei Prof. Schweizer
-::Rechtliche Beurteilungen (hier: „'''betrügen'''") stellen grundsätzlich Meinungsäußerungen dar, die dem Schutz der Äußerungsfreiheit unterfallen (Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 4 Rz. 61). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsauffassung dem Adressaten die Vorstellung von konkreten Vorgängen vermittelt, die beweismäßig überprüfbar sind (Wenzel/Burkhardt. a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall. Der inkriminierten Äußerung lässt sich lediglich entnehmen, dass die Antragsgegnerin von dem Antragsteller (auch) abgemahnt wurde. Aus welchem Grund genau und wann dies geschah, bleibt vollständig offen. Damit ist die Äußerung aber so substanzlos, dass dem Leser nicht ansatzweise ein konkret vorstellbarer und mit den Mitteln der Zivilprozessordnung auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfbarer Vorgang im Zusammenhang der Verletzung von Markenrechten des Antragstellers präsentiert wird.+'''Richterrin am Amntsgericht:''' Feustel
-::Liegt damit eine Meinungsäußerung vor, so handelt es sich auch nicht um eine unzulässige Schmähkritik. Eine Schmähkritik zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass der Anwurf auch aus der eigenen Sicht des Kritikers keine verwertbare Grundlage hat und es nicht um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern die Diffamierung des Anderen im Vordergrund steht. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr geht es im "Abmahnblock" erkennbar um die Auseinandersetzung mit dem Abmahnverhalten unter anderem des Antragstellers, dem immerhin - wie er selbst einräumt - zeitweise mit einstweiliger Verfügung verboten worden ist, Abmahnungen vorzunehmen.+'''Aus dem Urteil:'''
 +::In der Ausgabe vom 8. Oktober 2008 (Nr. 42/2008) erschien ein Artikel unter der Überschrift „…-Erschütterndes Interview”, in dem es aus Anlass eines der Zeitschrift “Stern” gegebenen Interview des Klägers um persönliche Krisen im Leben des Klägers geht. In der Berichterstattung kommt auch ein ehemaliger Chorsägers des Klägers, Herr …, zu Wort, der sich zu seiner Zusammenarbeit mit dem Kläger äußert. Hierzu heißt es in dem Artikel:
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 +::“Als es ihm schlecht ging, rief er mich oft an und heulte sich bei mir aus. Er braucht es eben, im Zenit der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber im Grunde ist er eine arme Sau - und das weiß er auch”
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 +::Bei der streitgegenständlichen Aussage “Er braucht es eben, im Zenit der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber im Grunde ist er eine arme Sau - und das weiß er auch” handelt es sich im Kontext der Berichterstattung um eine zulässige Meinungsäußerung. Eine Meinungsäußerung liegt vor, wenn eine Äußerung nicht dem Beweise zugänglich ist, sich insbesondere nicht mit dem Kriterium “wahr oder unwahr“ messen lässt, sondern vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, also einen Vorgang oder Zustand an einem vorn Kritiker gewählten Maßstab misst (vgl. BVerfG NJW 1983, 1415). So verhält es sich hier. Der zitierte Musikerkollege des Klägers äußert sich hier erkennbar rein wertend über die Persönlichkeit des Klägers. Soweit der Kläger die Bezeichnung “arme Sau” als Schmähkritik auffasst, vermag sich das Gericht dieser Auffassung nicht anzuschließen. Dies setzte voraus, dass es sich nicht um eine sachbezogene Äußerungen handelt, sondern vielmehr die Schmähung in den Vordergrund tritt, es sich also Äußerungen handelt, die den Angriff auf die Person bezwecken, ohne der sachbezogenen Kritik zu dienen. In diesen Fällen tritt der Schutz der Freiheit der Rede regelmäßig zurück (vgl. BVerfG, BVerfGE 82, 272). So verhält es sich hier indes nicht. Die Redewendung “Arme Sau” bezeichnet umgangssprachlich einen bemitleidenswerten Menschen. Eine Vergleichbarkeit mit der Titulierung als “Schwein“ oder “Sau“ oder ähnlichen Formalbeleidigungen ist also nicht ohne weiteres gegeben. Die Bezeichnung lässt vorliegend auch nichtjeden Sachbezug fehlen, sondern gründet auf der vom Kläger jedenfalls nicht als unwahr angegriffenen Darstellung, wonach er, der in der Öffentlichkeit für sein Selbstbewusstsein und sein harsches Umgehen mit anderen bekannt ist, tatsächlich weit weniger gut mit eigenen Rückschlägen und Niederlagen umzugehen vermag.
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 +::Soweit in der streitgegenständlichen Passage der Inhalts eines privaten Telefonats wiedergegeben wird, liegt hierin nach Ansicht des Gerichts kein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre des Klägers. Dabei kann dahinstehen, ob vorliegend tatsächlich die Privatsphäre oder nur die Sozialsphäre tangiert ist. Für letzteres spricht, dass es im Telefonat letztlich um das berufliche Wirken des Klägers ging (Reaktion auf schlechte Plattenverkäufe), andererseits wird auf die Gemütsverfassung des Klägers verwiesen, die eher dem Bereich des “Privaten” zuzuordnen sein dürfte (siehe zur Abgrenzung BGH MMR 2012, 256). Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, dass sich der Kläger in der Vergangenheit, gerade auch in dem die Berichterstattung der Beklagten auslösenden “Stern“-Interview, durchaus ausführlich zu seiner Gefühlslage und seiner “schwächeren Seite” geäußert hat. Insofern gilt, dass derjenige, der sich in der Öffentlichkeit präsentiert, die Respektierung eines Geheimhaltungswillens, wie er im Hinblick auf private Gespräche bestehen mag, nur in geringerem Maße fordern kann als derjenige, der grundsätzlich gegen jede Veröffentlichung
 +privater Aspekte seines Lebens vorgeht (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rn. 5.42). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nicht als angebracht, bei der nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gebotenen Abwägung mit den Rechten der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG dem Persönlichkeitsrecht des Klägers den Vorrang einzuräumen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Artikel sich durchaus nicht darauf beschränkt, lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen zu befriedigen (vgl. BGH NJW 2008, 1793, 1796), sondern mit der Darstellung der Diskrepanz zwischen medialer Selbstdarstellung und tatsächlichem Gemütszustand des Klägers durchaus einen Beitrag zur Meinungsbildung leistet.
[[Kategorie:Verbotener Ausdruck]] [[Kategorie:Verbotener Ausdruck]]
[[Kategorie:Erlaubt]] [[Kategorie:Erlaubt]]

Version vom 15:28, 27. Sep. 2012

Äußerung Bohle sei eine arme Sau kann erlaubt sein.

Urteil

Urteil Urteil - 17.09.2012 - Amtsgericht Hamburg-Mitte Az. font color="brown">32 C 57/12</font>

Kläger: Dieter Bohlen, vertrteen von dwer Kanzlei Nesselhauf

Beklagter: Zeitschrift "Freizeit Spaß", vertreten von der Kanzlei Prof. Schweizer

Richterrin am Amntsgericht: Feustel

Aus dem Urteil:

In der Ausgabe vom 8. Oktober 2008 (Nr. 42/2008) erschien ein Artikel unter der Überschrift „…-Erschütterndes Interview”, in dem es aus Anlass eines der Zeitschrift “Stern” gegebenen Interview des Klägers um persönliche Krisen im Leben des Klägers geht. In der Berichterstattung kommt auch ein ehemaliger Chorsägers des Klägers, Herr …, zu Wort, der sich zu seiner Zusammenarbeit mit dem Kläger äußert. Hierzu heißt es in dem Artikel:
“Als es ihm schlecht ging, rief er mich oft an und heulte sich bei mir aus. Er braucht es eben, im Zenit der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber im Grunde ist er eine arme Sau - und das weiß er auch”
Bei der streitgegenständlichen Aussage “Er braucht es eben, im Zenit der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber im Grunde ist er eine arme Sau - und das weiß er auch” handelt es sich im Kontext der Berichterstattung um eine zulässige Meinungsäußerung. Eine Meinungsäußerung liegt vor, wenn eine Äußerung nicht dem Beweise zugänglich ist, sich insbesondere nicht mit dem Kriterium “wahr oder unwahr“ messen lässt, sondern vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, also einen Vorgang oder Zustand an einem vorn Kritiker gewählten Maßstab misst (vgl. BVerfG NJW 1983, 1415). So verhält es sich hier. Der zitierte Musikerkollege des Klägers äußert sich hier erkennbar rein wertend über die Persönlichkeit des Klägers. Soweit der Kläger die Bezeichnung “arme Sau” als Schmähkritik auffasst, vermag sich das Gericht dieser Auffassung nicht anzuschließen. Dies setzte voraus, dass es sich nicht um eine sachbezogene Äußerungen handelt, sondern vielmehr die Schmähung in den Vordergrund tritt, es sich also Äußerungen handelt, die den Angriff auf die Person bezwecken, ohne der sachbezogenen Kritik zu dienen. In diesen Fällen tritt der Schutz der Freiheit der Rede regelmäßig zurück (vgl. BVerfG, BVerfGE 82, 272). So verhält es sich hier indes nicht. Die Redewendung “Arme Sau” bezeichnet umgangssprachlich einen bemitleidenswerten Menschen. Eine Vergleichbarkeit mit der Titulierung als “Schwein“ oder “Sau“ oder ähnlichen Formalbeleidigungen ist also nicht ohne weiteres gegeben. Die Bezeichnung lässt vorliegend auch nichtjeden Sachbezug fehlen, sondern gründet auf der vom Kläger jedenfalls nicht als unwahr angegriffenen Darstellung, wonach er, der in der Öffentlichkeit für sein Selbstbewusstsein und sein harsches Umgehen mit anderen bekannt ist, tatsächlich weit weniger gut mit eigenen Rückschlägen und Niederlagen umzugehen vermag.
Soweit in der streitgegenständlichen Passage der Inhalts eines privaten Telefonats wiedergegeben wird, liegt hierin nach Ansicht des Gerichts kein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre des Klägers. Dabei kann dahinstehen, ob vorliegend tatsächlich die Privatsphäre oder nur die Sozialsphäre tangiert ist. Für letzteres spricht, dass es im Telefonat letztlich um das berufliche Wirken des Klägers ging (Reaktion auf schlechte Plattenverkäufe), andererseits wird auf die Gemütsverfassung des Klägers verwiesen, die eher dem Bereich des “Privaten” zuzuordnen sein dürfte (siehe zur Abgrenzung BGH MMR 2012, 256). Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, dass sich der Kläger in der Vergangenheit, gerade auch in dem die Berichterstattung der Beklagten auslösenden “Stern“-Interview, durchaus ausführlich zu seiner Gefühlslage und seiner “schwächeren Seite” geäußert hat. Insofern gilt, dass derjenige, der sich in der Öffentlichkeit präsentiert, die Respektierung eines Geheimhaltungswillens, wie er im Hinblick auf private Gespräche bestehen mag, nur in geringerem Maße fordern kann als derjenige, der grundsätzlich gegen jede Veröffentlichung

privater Aspekte seines Lebens vorgeht (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rn. 5.42). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nicht als angebracht, bei der nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gebotenen Abwägung mit den Rechten der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG dem Persönlichkeitsrecht des Klägers den Vorrang einzuräumen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Artikel sich durchaus nicht darauf beschränkt, lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen zu befriedigen (vgl. BGH NJW 2008, 1793, 1796), sondern mit der Darstellung der Diskrepanz zwischen medialer Selbstdarstellung und tatsächlichem Gemütszustand des Klägers durchaus einen Beitrag zur Meinungsbildung leistet.

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