325 O 442/09 - 02.03.2010 - Frank Schirrmacher vs. Tim Cole - Vergleich mit Nazis umstritten

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BUSKEISMUS


Bericht

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Frank Schirrmacher vs. Tim Cole

02.03.2010, 11:00 325 O 442/09 Der Kläger ist Mitherausgeber der F.A.Z. Der Beklagte eine bekannter Internet-Publizist

Corpus Delicti

Die inkriminierende Äußerung sinngemäß

In einer anderen Zeit hätten Leute wie Schirrmacher Dolchstoßlegenden erfunden oder behauptet, die Juden seien an allem schuld

Das Corpus Delicti wird im Internet diskutiert und vom Antragsgener gibt es Erläuterungen:

Tim Cole | 28.01.2010 | 23:43 |

@Stefan: Oh je, sagen Sie nur nicht, dass Sie genauso oberflächlich lesen wie Frank chirrmacher! [full disclosure: Schirrmacher und ich treffen uns am 2. März vor der Pressekammer des Hamburger Landgerichts, weil er das, was ich über ihn und seine Bücher geschrieben habe, als "Schmähkritik" empfindet. Er hat deswegen eine Einstweilige Verfügung gegen mich erwirkt, gegen die ich Einspruch eingelegt habe.]

Ich habe geschrieben, dass Schirrmacher die gleichen Methoden anwendet, die skrupellose Menschen, meistens Politiker oder Kulturschaffende, in der Vergangenheit immer benützt haben, um Feindbilder aufzubauen , weil sie die Menschen von ihren wahren Problemen ablenken wollen. Du hast Kopfschmerzen? Du vergißt Dinge? Das Internet ist schuld! So verkauft man politische Weltbilder, und so verkauft man Bücher (und sich selbst!).

In diesem Kontext habe ich zwei Beispiele aus der jüngeren deutschen Geschichte bemüht, nämlich die Dolchstoßlegende und die Judenlüge. Beide wurden ja von wertkonservativen Kreisen dazu benutzt, Linke und andere Andersdenkende zu diffamieren.

Die Judenlüge war übrigens keine Erfindung der Nazis, sondern geht mindestens auf das späte 19te Jahrhundert zurück. Sie wurde aber von den Nazis in den 30ern vor allem dazu instrumentalisiert, um die Macht zu übernehmen und diese zu festigen. Mit dem Holocaust hat das im Grunde nichts zu tun (außer dass es natürlich dafür die geistige Grundlage schuf).

Herr Schirrmacher ist der Ansicht, dass ich ihn mit diesem Satz in die Nähe des Antisemitismus gerückt habe (wie er es bekanntlich 2002 mit Martin Walser selbst gemacht hat!). Er behauptet das auch weiterhin, nachdem ich auf http://www.czyslansky.net sogar noch einen erklärenden Blogeintrag nachgeschoben habe (den ich auf Anraten meines Anwalts ebenso wie die ursprüngliche Formulierung) vorübergehend vom Netz genommen habe), in dem ich ausdrücklich schrieb:

„Ich behaupte nicht, dass Schirrmacher ein Nazi ist. Er ist auch kein Monarchist, Idealist, Fundamentalist oder Terrorist. Aber er verwendet Methoden, die in der Vergangenheit von den Anhängern solcher Extrembewegungen gerne aufgegriffen und verwendet wurden, um ihre fragwürdigen Ziele zu erreichen. Man kann ihm also geringsten falls vorwerfen, sich zum Handlanger zu machen. Journalisten sind dafür besonders anfällig, weil sie gelernt haben, zu verknappen, zu verdichten und dann damit zu polarisieren.“

Das hat ihm nicht genügt, und jetzt treffen wir uns halt vor Gericht, weil ich mir den Mund von ihm nicht verbieten lassen will. Ich halte das, was ich geschrieben habe (und was zur Klärung der Sachlage leider zensiert werden musste), für eine legitime Meinungsäußerung; zwar sicher hart an der Grenze, aber da bewegt sich Schirrmacher selbst ja eigentlich andauernd. Ich finde, er muss sich das gefallen lassen, da er selbst auch ganz gerne unter die Gürtelline schlägt, wie beispielsweise Hans-Olaf Henkel in seinem neuen Buch, „Die Abwracker“, eindrucksvoll schildert. Kostprobe:

“‘Ehe Henkel und Co. das Wort ergreifen oder Zumwinkel und Pierer das Unrecht der Welt bejammern…’, so beginnt er einen Satz, der offenbar nur dazu diente, diesen Zusammenstellung in die Welt zu setzen. Schirrmacher rückt damit eine herausragende, vor allem aber eine unbescholtene Unternehmerpersönlichkeit in eine Reihe mit einem geständigen Steuerhinterzieher und einem Vorstandschef, der seinem Ex-Konzern Schadensersatz wegen des Schmiergeldskandals bezahlen mußte. Geht es noch perfider?”

Aber das ist Schirrmachers immer wieder angewandte Methode. So gehen auch Aasfresser vor: Anderen die Augen aushacken, aber empört aufheulen, wenn einer zurückhackt. Einer, der plumpe Feindbilder schafft und sie dann hemmungslos bedient. Ich würde mich keine Sekunde wundern, wenn er seine Anwaltsmeute auch schon gegen Hans Olaf Henkel gehetzt hätte, so wie gegen mich. Es würde jedenfalls zu ihm passen.


@robin: In der causa Schirrmacher lässt sich die Person leider nicht völlig von der inhaltlichen Diskussion abtrennen. Das ist ja Schirrmachers Methode, nämlich seine Person mit übersteigerten, grob vereinfachten und letztlich hetzerischen Thesen zu verknüpfen. Ich hoffe sehr, dass du über meinen polemischen Anfangssatz hinaus weitergelesen hast, dann weißt du auch, dass es mir nicht um die Person Schirrmacher geht, sondern um den Schaden, den er mit seinem furchtbaren Buch angerichtet hat.

Ich versuche seit mehr als 15 Jahren in meinen Artikeln, Büchern und Vorträgen, den Menschen und insbesondere den Managern in Deutschland die Angst vor dem Internet zu nehmen. Und dann kommt ein Schirrmacher, der von der eigentlichen Materie so offensichtlich keine Ahnung hat, und zerbricht als Elefant derartig viel Pozellan, dass man es eigentlich in diesem Leben kaum noch kitten kann. Das wird den Wirtschaftsstandort Deutschland zehn Jahre zurückwerfen! Und warum? Damit ein Feuilletonschreiber sein Geltungsbedürfnis befriedigen kann? Wo sind wir denn?

Richter

Vorsitzender Richter am Landgericht Schulz
Richter am Landgericht Dr.Link
Richter am Landgericht Dr. Graf

Die Parteien

Klägerseite: Kanzlei Damm & Mann; Rechtsanwalt Dr. Roger Mann Beklagtenseite: Kanzlei Romatka; Rechtsanwalt Himmelsbach; Beklagter persönlich

Notizen der Pseudoöffentlichkeit

02.03.10 Berichterstatter der Pseudoöffentlichkeit: Rolf Schälike.

Vorsitzender Richter Schulz: Sie hatten den Schriftsatz vom 01.03.10 eingereicht. Hat der Antragsgegner diesen erhalten? Ja. Den Schriftsatz vom 24.02.2010 hat der Antragsteller schon erhalten. Es geht um die Antwort: In einer anderen Zeit hätten Leute wie Schirrmacher Dolchstoßlegenden erfunden oder behauptet, die Juden seien an allem schuld, auf die Frage des Kommentators. Sie haben im Interview den entscheidenden relevanten Gesichtspunkt aufgezeigt. Die Einordnung der Äußerung … Kriterien … Das Buch ist Gegensand für diese Äußerung und der Gesamtkontext des Kommentars, andererseits. Es ist sicherlich ein Fall, in dem die Abwägung zwischen Wertung die unzulässiger Schmähkritik nicht leicht fällt. Sie stellen darauf ab, dass die Methode des Buchinhalts diese Äußerung rechtfertige. Man kann fragen, ob sich daraus ein hinreichender Anknüpfungspunkt zulässiger, jedenfalls scharfer Kritik ableiten lässt. Von Bedeutung ist der Bereich, auf die Methodik … Resümee, bezogen auf die angegriffene Äußerung als sachlicher Angriffspunkt, nicht hinreichend sein könnte, weil die Gegenstände erheblich unterschiedlich sind. Schirrmacher behandelt in seinem Buch … Ansatz, Resümee … ob man den Vergleich dann treffen kann, ist insoweit fraglich, als sich diese Äußerung beim Leser auf das jüngere Deutschland bezieht. … Nationalsozialismus und davor ist den meisten Lesern …, die so genannte Judenfrage, Antisemitismus, sich gegen die Menschenrechte wendet, diente die …. Bedeuten Völkermord vorbereiten und auch zu tun. Und wenn man das nebeneinander legt, aller Übel bei den Juden, plus Nationalsozialismus … und Inhalt des Buches, welches sich mit den Informationstechnologien beschäftigt, so dass sich nicht sachliche Anknüpfungspunkte ergeben. …. Im zulässigen Bereich ?

Beklagtenanwalt Himmelsbach: Im Buch geht es um die Technik, die Bewertung der Technik, das Informationszeitalter. Wir sind abhängig vom Computer, wir alle, auch das Gericht, wir alle hier. Was uns letztendlich zerstört. Er lässt keine Zweifel, dass es so, auf dieses Ergebnis zusteuert. Lässt keine andere Wahrheit mehr zu. … Negative Situation, die der Computer mit sich bringt. Das Buch ist geschickt in der wir-Form geschrieben. Diese Technik, viel mehr die Verbreitung dieser Technik. Der Antragsgegner wollte aufzeigen, welche Wirkungen solche Argumentationstechnik mit sich bringt. ……. Menschen, die das programmieren, beeinflussen unser Hirn. … Jeder Vergleich mit dem Dritten Reich ist unzulässig, heißt es. Das Buch des Antragstellers hat Platz 9 unter den Bestsellern. Das Buch hat eine Wirkung in der Öffentlichkeit. Dass Herr Cole, der sich seit dreißig Jahren mit dem Internet beschäftigt, auf der einen Seite steht und der Herausgeber der F.A.Z. auf der anderen Seite mit einer Argumentation, die fragwürdig ist. Söhring sagt, es darf keine tatsächlichen Bezugspunkt geben. Es gibt einen tatsächlichen Ansatzpunkt.

Klägeranwalt Dr. Roger Mann: Er durfte genau argumentieren. Es hapert mit dem Vergleich. Man kann zum Beispiel schreiben, der Fußballer humpelt wie Goebbels. Das wäre nicht zulässig. Man hätte vielleicht schreiben können, es ist ein maschinenstürmerisches Buch. Aber. Dass Menschen, wie Herr Schirrmacher, die Juden … und zieht einen Vergleich mit Autoren, … auch die gleichen Filme, sehen wir Goebbels aus. Propagieren Holocaust und führen diesen durch. Abgesehen von der … . Maschinen mit den Juden zu vergleichen, geht n nicht.

Beklagtenanwalt Himmelsbach: Es geht nicht um den Vergleich Maschinen mit den Juden. Im Buch steht, wir sind alle in der Matrix gefangen, aus der wir nicht herauskommen, die von den Maschinen bestimmt wird. Die Pupillen verändern sich, Computer kann Gedanken lesen. Es ist eine menschenverachtende Sicht … nicht auf Menschen ... .

Tim Cole: Habe für die Bild, für verschiedene Journals gearbeitet und diese aufgebaut. Seit 1992 beschäftige ich mich mit Internet. Bin darin Experte. Das sage ich, weil die Gegenseite den Eindruck erzeugt, ein kleiner Blogger hat das geschrieben. Ich bin studierter …. Ich erkenne nicht in dem einen Buch, in allen seinen Büchern … . Es sind extreme Vereinfachungen, ein laxer Umgang mit den Fakten. Ich sehe auch mein Lebenswerk bedroht. Die Leute sagen, Herr Schirrmacher sagt, die Computer vermatschen das Gehirn. Habe eine Formulierung gewählt und weiß, diese ist grenzwertig.

Klägeranwalt Dr. Roger Mann: Was Sie sagen, ist nicht schlimm. Als erfahrener Journalist wissen Sie, …. Es zeigt, Sie haben sich in eine persönliche Auseinadersetzung begeben, keine Sachlichkeit, wenn Sie sagen, in einem anderen Zeitalter … .

Beklagtenanwalt Himmelsbach: Gerade das hat er nicht gesagt. Er hat gesagt, Menschen, die solche Argumentationstechnik verwenden, sich dieser bedienen, … . Nicht Herr Schirrmacher … Die Person Schirrmacher kommt nicht vor.

Vorsitzender Richter Schulz: Er ist doch Autor des Buches.

Beklagtenanwalt Himmelsbach: Ger… kann aus der Zeit ..

Vorsitzender Richter Schulz: Ja, da sollen wir die Anträge stellen. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Anträge werde gestellt. Die einstweilige Verfügung vom 17.12.2009 soll aufgehoben werden. Beschlossen und verkündet: Eine Entscheidung im Tenor erfolgt am Schluss der Sitzung.

Vorsitzender Richter Schulz am Schluss der Sitzung: Die einstweilige Verfügung wird bestätigt.

Urteil 325 O 442/09

Kommentar

Wieder ein Mal klagt ein Zeitungsmacher gegen die Äußerungsfreiheit. Frank Schirrmacher ist Mitherausgeber der F.A.Z., die ganz schön unter dem Zensurverlangen so mancher Zensoren und Zensuranwälte leidet. Jetzt begehrt der Zeitungsmacher selbst Zensur und streutet um den Sinn und Wortlaut von Kritik.

Dieser Prozess erinnert am die Klage von Helmut Markwort, Chefredakteur des Fokus gegen die Saarländische Zeitung. Der Focus und andere Burda-Erzeugnisse werden sehr häufig bei den Zensurkammer verklagt. Sie wehren sich vehement und werden vertreten von der Kanzlei Prof. Schweizer. Nun versuchte Markwort und die meist auf der Beklagtenseite stehende Kanzlei zu zensieren. Bis zum BGH erfolgreich. Der BGH kippte die Entscheidungen der Provinzgerichte VI ZR 226/08 vom 17.11.2009

Erleben wir dieses Mal Ähnliches?

Allerdings bemühen sich die Kanzlei Damm & Mann und speziell auch RA Dr. Roger Mann schon seit einiger Zeit als Zensuren. Vielleicht hat Dr. Roger Mann mehr Erfolg als die Anwälte der Kanzlei Prof. Schweizer.

Wolf Biemann: Knast für ein Sprachproblem

Ich vergleiche mit meinen Erfahrungen. Vergleichen, das heißt ja nicht etwa Gleichsetzen. Unsere Leiden in der DDR-Diktatur bieten sich mir an. Darf man vergleichen? Kann man vergleichen? Soll man überhaupt?

Und ob, ihr kommoden Polit-Klugscheißer und Gutmensch-Trottel! Wie sonst könnten wir erkennen: was gleich ist am Verschiedenen und was nicht. Ansonsten wissen ja alle aus diesen und jenen Erfahrungen: Das eigene Leid will immer das größte sein.

Quelle: Knast für ein Sprachproblem Wolf Biermann, Hamburger Abendblatt, 03. März 2010

Wichtiger Hinweis

Für diesen Bericht gilt, was für alle Berichte gilt: Alles, was in den Berichten steht, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit. Beweisen können die Berichterstatter nichts; geurteilt nach den strengen Regeln der Zensurkammern, sind die Recherchen der Berichterstatter erbärmlich. Was in den Berichten in Anführungszeichen steht, ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft wird eine falsche Zeichensetzung verwendet. Dafür haben schon mehrere Berichterstatter in Deutschland Heute gesessen. Die Berichterstatter möchten für ihre mangelnde Kenntnis der Grammatik und Syntax bzw. deren nicht exakte Anwendung nicht noch ein weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht lediglich auf den während der Verhandlung geführten handschriftlichen Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen stehen, als Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen können die Berichterstatter als Pseudoöffentlichkeit nichts. Auch Zeugen gibt es keine. Sowohl Anwälte als auch Richter werden sich an nichts erinnern - sie haben Besseres zu tun. Was merkwürdig erscheint, muss von Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden. Eine Meinung besitzen die Berichterstatter von der Pseudoöffentlichkeit nicht. Es handelt sich lediglich um Verschwörungstheorien.


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