324 O 565/08 - 05.03.2010 - Giséle Spiegel vs. YouTube

Aus Buskeismus

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Quelle: LG Hamburg - Hauoptsachverfahren zum Verfügungverfahren 324 O 197/08

Inhaltsverzeichnis

BUSKEISMUS


URTEIL


Landgericht Hamburg


Im Namen des Volkes


Az.: 324 O 565/08 verkündet am: 05.03.2010

[bearbeiten] Parteien

In der Sache

der Frau Giséle Spiegel

Klägerin,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Moser Bezzenberger Berlin

gegen

YouTube LLC

Beklagter,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Taylor Wessing

hat das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24,

auf mündliche Verhandlung vom dd.mm.2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske

....

....

[bearbeiten] entschieden

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes – und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),

zu unterlassen,

im Bereich der Bundesrepublik Deutschland den in der Anlage zu diesem Urteil als Screenshot in Auszügen beigefügten Videobeitrag des Users "P." mit dem Titel "Dem Feuer übergeben" auf der Video-Plattform "YouTube" zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.641,80 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juni 2009 zu tragen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 60.000,00 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 60.000,00 festgesetzt.

[bearbeiten] Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe des im Jahr 2006 verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Herr S.. Die Beklagte, ein US-amerikanisches Unternehmen, betreibt seit 2005 das Videoportal www.y….com. Zum 8. November 2007 führte sie unter der Domain http.de.y….com ein entsprechendes Videoportal mit deutschsprachiger Benutzerführung ein, nachdem sie entsprechende Angebote zuvor bereits für einige andere Länder, zum Beispiel Frankreich, eingerichtet hatte. In diesen Videoportalen kann jedermann kostenlos die dort eingestellten Videos ansehen, und jeder registrierte Nutzer (wobei eine Registrierung ebenfalls kostenlos ist) kann auch Videos unmittelbar auf die Plattform laden, wobei vorab keine Kenntnisnahme, Sichtung, Vorauswahl oder Überprüfung seitens der Beklagten erfolgt. In dem Internetangebot unter www.y….com ist die Benutzerführung vollständig in englischer Sprache gehalten. Es können und konnten jedoch auch anderssprachige Videos bzw. Videos mit nicht-englischen Titeln eingestellt werden.

Die Beklagte unternahm schon vor dem Start ihres deutschsprachigen Angebots keine Maßnahmen, um den Zugriff auf ihr Angebot von Deutschland aus zu verhindern, und wies auch nicht darauf hin, dass das Angebot nur für Nutzer aus den Vereinigten Staaten gedacht sei. Auf dem ursprünglichen US-amerikanischen Portal betrieb sie keine auf Deutschland ausgerichtete Werbung, sondern startete erst nach dem Deutschland-„Launch“ mit Vertriebs- und Marketingaktivitäten in Deutschland.

Die Parteien streiten um eine Störerhaftung wegen Prüfpflichtverletzung der Beklagten bezüglich eines Videos (Anlage K 2, Screenshots Anlage K 1 bzw. Anlage zu diesem Urteil), das seit dem 3. Januar 2007 bei www.y….com und nach dem „Launch“ der deutschsprachigen Plattform auch dort abrufbar war. Dieser Videobeitrag wurde von einem unter „ P.“ registrierten Nutzer mit dem deutschsprachigen Titel „Dem Feuer übergeben“ eingestellt. In dem Beitrag ist ein Foto des verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Herr S. zu sehen, das in einer Schale aus Metall liegt. Hinter der Schale ist ein aus Legosteinen gefertigtes Hakenkreuz in schwarzer Farbe vor weißem und rotem Hintergrund aufgestellt. Das Foto wird von einer Person mithilfe eines Papierstreifens angezündet und verbrennt vollständig. Während dieses Vorgangs sind undefinierbare Geräusche zu hören, die teilweise wie ein Kichern klingen.

Nach den Community-Richtlinien der Beklagten (Anlage B 4) dürfen die Nutzer unter anderem Videos mit bestimmten Inhalten (z.B. Videos, in denen Unfälle oder Leichen gezeigt werden) nicht hochladen und es darf niemand belästigt werden. Die Nutzer versichern gegenüber der Beklagten bei jedem Hochladevorgang, dass der hochgeladene Inhalt keine Rechte Dritter verletze.

Ein Mechanismus der Selbstkontrolle der Beklagten ist das so genannte „Flagging“-System. Dieses System bietet registrierten Nutzern die Möglichkeit, mittels eines „Klicks“ auf eine Beschwerdekategorie einen Videobeitrag als unangemessen zu beanstanden. Bei Betätigung der „Flagging”-Funktion erscheint im ursprünglichen Dienstangebot unter www.y….com folgender Text: „This video is inappropriate – Please select the category that most closely reflects your concern about the video, so that we can review it and determine whether it violates our Community Guidelines or isn’t appropriate for all viewers. (…)“. Unter www.y….com standen im Juli 2007 sechs Kategorien zur Verfügung („Sexual Content“, „Violent or Repulsive Content“, „Hateful or Abusive Content“, „Harmful Dangerous Acts“, „Infringes My Rights“ und „Spam“), wobei der beanstandende Nutzer keine zusätzlichen Angaben eingeben konnte. Dem Nutzer wird nach dem „Flagging“ mitgeteilt, dass man einen Verstoß gegen die Community-Richtlinien prüfen werde.

Vor der Einführung der deutschsprachigen Seite waren die Mitarbeiter der Beklagten, die die „Flagging“-Meldungen durchsahen, weder auf Besonderheiten des deutschen Marktes geschult, noch wurden deutschsprachige Mitarbeiter hierfür eingesetzt.

Am 16. Juli 2007 wurde eine Mitarbeiterin des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Zeugin D., auf den streitgegenständlichen Videobeitrag aufmerksam und „flaggte“ ihn zwischen dem 16. und 23. Juli 2007 unter Verwendung eines Pseudonyms (nach den Angaben der Klägerin entweder unter Nutzung der Kategorie „shocking or disgusting content“ oder „hateful or abusive content“). Weitere Angaben enthielt dieses „Flagging“ nicht. Auf der Grundlage nur dieses „Flaggings“ sah der damalige Mitarbeiter der Beklagten, der zuverlässige und ordnungsgemäß angeleitete Zeuge L., in dem Video keinen Verstoß gegen die Community-Richtlinien der Beklagten (Anlage B 4), so dass die Meldung nicht zu einer Sperrung des Videos führte, jedoch aufgrund der erfolgten Sichtung als erledigt galt. In anderen Fällen führte die Vornahme eines „Flaggings“ durch die Zeugin D. zu Sperrungen der entsprechenden Videos.

Am 27. August 2007 berichtete ein deutsches Fernsehmagazin kritisch über fremdenfeindliche Inhalte auf Y….. Am 25. Oktober 2007 kam es auf Initiative der Beklagten zu einem ersten Gespräch zwischen der Beklagten und Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland, in dem Möglichkeiten eines gemeinsamen Weges zur Verhinderung von Rechtsverletzungen insbesondere durch fremdenfeindliche und antisemitische Inhalte besprochen werden sollten. Das streitgegenständliche Video wurde bei diesem Treffen nicht angesprochen.

Am 1. Februar 2008 informierte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland die Klägerin über das Video.

Nach der Einführung der deutschsprachigen Plattform fand am 12. Februar 2008 ein zweites Gespräch zwischen der Beklagten und Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland statt. Bei diesem Gespräch wies der Generalsekretär Kramer des Zentralrats der Juden in Deutschland die Vertreter der Beklagten auf das Video hin. Obwohl dem Zentralrat bereits ein Screenshot vorlag und die Klägerin eine am Abend des 12. Februar 2008 gefertigte Kopie zu den Akten gereicht hat (vgl. Anlage B 6), wurde der Beklagten auf Nachfrage eine genaue Internetadresse (URL) nicht mitgeteilt. Die Zeugin K.-R. durchsuchte für die Beklagte das Angebot auf der Plattform, fand das streitgegenständliche Video und meldete es selbst über das „Flagging“-System. Am Folgetag, dem 13. Februar 2008, wurde das Video durch die Beklagte von der Plattform entfernt, und es wurde über die so genannte MD5-Hash Technologie unmöglich gemacht, dass das identische Video erneut auf die Plattform geladen werden kann. Nachfragen der Beklagten, mit denen sie sicherstellen wollte, dass nun das im Gespräch erwähnte Video gesperrt war, wurden vom Zentralrat der Juden in Deutschland nicht beantwortet. Mit Schreiben vom 22. Februar 2008, das der Beklagten am 27. Februar 2008 zuging, mahnte die Klägerin ohne Angabe der URL des (bereits gelöschten) Videos die Beklagte in den USA ab (Anlage K 3). Die URL teilte sie der Beklagten am 27. Februar 2008 mit. Mit Schreiben vom 6. März 2008 lehnte die Firma G. im Auftrag der Beklagten die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung ab (Anlage K 4).

Die Klägerin erwirkte unter dem 7. April 2008 eine einstweilige Verfügung der Kammer (Az. 324 O 197/08); es handelt sich vorliegend um das Hauptsacheverfahren.

Die Klägerin behauptet, zum Zeitpunkt der Abmahnung sei das in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2009 seitens der Beklagten überreichte Impressum nicht abrufbar gewesen. Unter der Rubrik „Kontakt“ habe es lediglich ein vorgegebenes, elektronisches Kontaktformular gegeben, wobei nicht erkennbar gewesen sei, an wen genau die auf diesem Wege übermittelte Nachricht gesendet werden würde. Die frühere Anschrift der Beklagten habe sich nur den Nutzungsbedingungen (Anlage K 13) entnehmen lassen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die internationale Zuständigkeit folge aus § 32 ZPO, da jedenfalls seit dem deutschsprachigen Angebot eine bestimmungsgemäße Verbreitung in ganz Deutschland vorliege. Eine bestimmungsgemäße Verbreitung habe aber auch schon vor der Einführung der deutschsprachigen Seite vorgelegen. Für die Beklagte sei vorhersehbar gewesen, dass Nutzer das Angebot weltweit in Anspruch nehmen würden, da es das erste Angebot dieser Art gewesen sei und da (insoweit unstreitig) die Domain der ursprünglichen Seite (wie auch später die der deutschsprachigen Seite) mit „com“ (nicht „us“) endet. Der Umstand, dass die ursprüngliche Seite der Beklagten in englischer Sprache gefasst sei, sei unerheblich, da das Angebot vornehmlich an junge Leute gerichtet sei, die nahezu alle die englische Sprache in einem ausreichenden Maße beherrschten. Für die Nutzung der englischsprachigen Nutzerführung und das Verständnis der Community-Richtlinien, der Nutzungsbestimmungen und des Anmeldeprozesses seien Grundkenntnisse des Englischen völlig ausreichend. Dass Englisch als die im internationalen Rechts- und Wirtschaftsverkehr fast ausschließlich genutzte Weltsprache bei einer weltweit verfügbaren Webseite verwendet werde, sei nicht überraschend. Im Übrigen sei der überwiegende Teil der Videobeiträge auch ohne Kenntnis der Sprache oder der regionalen Besonderheiten verständlich und unterhaltsam.

Für die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit in Deutschland spreche auch der Umstand, dass die Beklagte (insoweit unstreitig) ihre Datenschutzbestimmungen (Anlage K 14) bereits am 19. Juni 2007, also vor dem Deutschland-„Launch“, aktualisiert hat.

Der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch zu. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts folge aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB, da das Video von Deutschland aus auf den Server der Beklagten übertragen wurde und im Übrigen der Verletzungserfolg in Deutschland als Wohnort der Klägerin eingetreten sei. Die Veröffentlichung des Videos verletze den grundlegenden Geltungsanspruch des verstorbenen Ehemannes der Klägerin. Das Video dokumentiere eine symbolhafte endgültige Auslöschung des Ehemanns der Klägerin durch Verbrennung seines Fotos, wobei sich Bezüge zur nationalsozialistischen Bücherverbrennung und zur Verbrennung von Leichen der Ermordeten in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern fänden. Dass ein Foto des Ehemannes der Klägerin als ehemals prominenter Vertreter des jüdischen Lebens in Deutschland verwendet wurde, stelle eine äußerst schwere Herabwürdigung dar, wobei darüber hinaus das von der Klägerin wahrgenommene Recht ihres verstorbenen Ehemanns am eigenen Bild gemäß § 22 KUG verletzt worden sei.

Die Beklagte sei als Störerin auch passiv legitimiert, da sie willentlich und kausal an der Rechtsverletzung mitgewirkt habe, indem sie bewusst Speicherplatz zur Verfügung gestellt und dadurch die Verbreitung des Videos überhaupt erst ermöglicht habe.

Die Beklagte habe die ihr obliegenden Prüfpflichten verletzt. Es sei sachgerecht und geboten, die Grundsätze des für die Haftung im Zusammenhang mit dem Betrieb von Verkaufsplattformen im Internet entwickelten und später auf Meinungsforen erweiterten so genannten gleitenden Sorgfaltsmaßstabes auf Videoportale zu übertragen. Angesichts des Umstandes, dass Personen aus rechtsradikalen, rechtsextremen oder neonazistischen Kreisen das Portal der Beklagten intensiv nutzten, um ihre Weltsicht zu verbreiten (vgl. auch Medienberichte, Anlage K 6), habe es der Beklagten klar sein müssen, dass Nutzer sich der von ihr bereitgestellten Plattform bedienen, um in ihren Videos gegen prominente Mitbürger jüdischen Glaubens zu hetzen. Vor diesem Hintergrund sei eine Vorabprüfung der übermittelten Videos notwendig gewesen; das von der Beklagten angewendete Verfahren, insbesondere das „Flagging“, sei nicht ausreichend gewesen.

Eine solche Vorabprüfung sei der Beklagten angesichts ihres wirtschaftlichen Interesses und ihres hohen Börsenwertes auch zumutbar. Die Masse der Beiträge ändere hieran nichts, da sich der Betreiber eines solchen Angebotes nicht seinen Prüfpflichten entziehen könne, indem er es auf ein unkontrollierbares Maß anwachsen lasse. Die Vorabkontrolle sei auch technisch möglich. Die Beklagte verwende so genannte Filter, die die Videos der Nutzer (im Bereich der Videos mit pornographischen Inhalten erfolgreich) automatisiert überprüften und mit deren Hilfe ein Großteil der volksverhetzenden oder antisemitischen Videos ferngehalten werden könne.

Im Rahmen der Abwägung sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte einem Missbrauch ihres Angebots dadurch Vorschub leiste, dass sie eine weitgehend anonyme Nutzung ermögliche. Angesichts der geringfügigen Daten, die bei der Registrierung abgefragt werden (Email-Adresse und Geburtsdatum), sinke die Hemmschwelle, verbotene oder beleidigende Videos einzustellen.

Vorliegend sei die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Ehemanns der Klägerin offensichtlich gewesen, es habe keiner gesonderten intensiven rechtlichen Prüfung bedurft.

Unabhängig von der Verpflichtung der Beklagten zur Vorabkontrolle hafte sie jedenfalls nach den allgemeinen Grundsätzen der Störerhaftung in Verbindung mit §§ 7, 10 Satz 1 Nr. 2 TMG. Ihrer Verpflichtung als Diensteanbieter, rechtswidrige Inhalte unverzüglich nach Erhalt eines Hinweises auf ihre Existenz zu löschen, sei sie nach dem „Flagging“ im Juli 2007 nicht nachgekommen.

Bei der von der Beklagten eingerichteten Möglichkeit des „Flaggings“ handele es sich um eine von ihr selbst geschaffene Struktur, weswegen sie die über diese Struktur erteilten Hinweise auch ernst nehmen und diesen sorgfältig nachgehen müsse. Anderenfalls hätte sie die Nutzer explizit darauf hinweisen müssen, dass ein ernsthafter Hinweis auf anderen förmlichen Wegen bei ihr zugehen müsse. Dass die Beklagte das „Flagging“-System selbst so einrichtete, dass ein detaillierter Kommentar nicht abgegeben werde konnte, könne ihr nicht zu Gute kommen.

Auch für einen amerikanischen Mitarbeiter, der den verstorbenen Herr S. oder seine Funktion nicht kannte, sei die durch das „Flagging“ beanstandete Rechtsverletzung aufgrund des gezeigten Vorganges und des in den USA als Symbol des Nationalsozialismus bekannten Hakenkreuzes erkennbar gewesen. Die Kenntnis des Mitarbeiters sei der Beklagten gemäß § 831 BGB zuzurechnen. Die Zurechnung folge aus dem Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer, wobei der Mitarbeiter Verrichtungsgehilfe sei. Wenn jedoch der Arbeitgeber für einen Verrichtungsgehilfen sogar auf Schadensersatz hafte, sei ihm erst recht auch die Prüfungspflichten auslösende Kenntnis eines Mitarbeiters von einem entsprechenden Sachverhalt zuzurechnen. Die Beklagte könne sich nicht exkulpieren; im Übrigen sei ihr ein eigenes Organisationsverschulden vorzuwerfen sei.

Jedenfalls sei eine Verletzung der Prüfungspflichten darin zu sehen, dass die Beklagte im Rahmen des Deutschland-„Launches“ sämtliche, auch alle bereits geflaggten Videos übernommen habe, ohne insbesondere Beiträge, in denen das Hakenkreuz gezeigt wird, herauszufiltern.

Die Wiederholungsgefahr sei durch die – späte – Entfernung des Videos nicht entfallen; im übrigen indiziere auch die Weigerung der Beklagten, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, die Wiederholungsgefahr.

Schließlich sei die Beklagte gemäß § 823 Abs. 1 bzw. § 823 Abs. 2 i.V.m. § 22 KUG als Schutzgesetz zur Zahlung der geltend gemachten Anwaltskosten für die vorgerichtliche Abmahnung (1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer nach einem Gegenstandswert von EUR 50.000,00) verpflichtet. Der Anspruch ergebe sich auch aus §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom zuständigen Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten, zu unterlassen,
im Bereich der Bundesrepublik Deutschland den als Screenshot in Auszügen als Anlage K 1 beigefügten Videobeitrag des Users „ P.“ mit dem Titel „Dem Feuer übergeben“ auf der Video-Plattform „ Y….“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen;
2. an die Klägerin 1.641,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung an prominenter Stelle ihrer Internetseite die Kontaktdaten sowie ein Impressum vorgehalten, wie dies später auf der deutschsprachigen Seite der Fall war (vgl. den in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2009 überreichten Ausdruck).

Die Beklagte hält die angerufene Kammer unter Bezugnahme auf etliche Gerichtsentscheidungen nicht für zuständig. Erst seit der Existenz der deutschsprachigen Version des Internetangebots erfolge ein möglicher Abruf der Internetseiten auch im Bezirk des Landgerichts Hamburg bestimmungsgemäß. Bis zum Deutschland-„Launch“ am 8. November 2007 habe es sich um ein rein US-amerikanisches Angebot gehandelt, das auf den deutschen Markt nicht ausgerichtet gewesen sei, sondern sich zunächst nur an US-Bürger gerichtet habe. Schon das äußere Erscheinungsbild der Seite spreche gegen eine Intention der Abrufbarkeit in Deutschland. Sämtliche Prozesse und Richtlinien seien auf den US-amerikanischen Markt ausgerichtet gewesen, die englische Sprache, die Bezugnahme auf Vorschriften des US-amerikanischen Rechts (Anlage B 8), die Präsentation von Inhalten mit besonderem Bezug zu den Vereinigten Staaten (vgl. Anlage B 9) usw. Auf der Internetseite www.y….com seien am 3. Juli 2007 die Länder durch Anzeige der jeweiligen Flaggen gekennzeichnet gewesen, auf die sich das Angebot zum damaligen Zeitpunkt erstreckt habe, darunter Frankreich, die Niederlande, Italien und Polen, aber nicht Deutschland. Die Aktualisierung der Datenschutzbestimmungen am 19. Juni 2007 habe sich nicht auf Deutschland bezogen; anlässlich des Deutschland-„Launchs“ seien lediglich die an den US-amerikanischen Markt gerichteten Datenschutzbestimmungen einschließlich ihres Stands übersetzt und die deutschsprachigen Datenschutzbestimmungen erst mit dem Deutschland-„Launch“ einsehbar gemacht worden.

Aus Fairnessgründen müsse an die Intention der Beklagten angeknüpft werden, da ein Diensteanbieter die Möglichkeit haben müsse, sein eigenes Verhalten objektiv nach Maßgabe der Rechtsordnungen zu steuern, die für das Angebot vorhersehbar einschlägig sind. Vor dem Deutschland-„Launch“ habe die Beklagte nicht mit einer Anwendbarkeit des deutschen Rechts rechnen müssen.

Es fehle auch an der Sachnähe des Landgerichts Hamburg, denn für eine Aufklärung der Geschehnisse rund um das „Flagging“ wäre eine Prüfung am Firmensitz der Beklagten in den Vereinigten Staaten erforderlich.

Das deutsche materielle Recht sei nicht anwendbar. Nach dem Tatortprinzip gemäß Art. 40 Abs. 1 EGBGB komme es entscheidend auf das Recht des Handlungsortes, hier also das Recht der Vereinigten Staaten, an, wo – insoweit unstreitig – die Server, der Sitz und das Entscheidungszentrum der Beklagten belegen sind.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch scheitere daran, dass die Beklagte nicht Störerin sei. Sie sei allenfalls technischer Verbreiter, also klassischer Intermediär, der Zugang zu Informationen und zu Märkten von Meinungen vermittele und (interaktive) Kommunikation ermögliche und fördere. Es fehle an der Willentlichkeit und an einer Adäquanz einer etwaigen Mitwirkung der Beklagten an der Rechtsverletzung. Angesichts der Versicherung des jeweils hochladenden Nutzers, dass dem Upload keine Rechte Dritter entgegenstünden, und angesichts des Umstandes, dass die Beklagte keine Kenntnis von den jeweiligen Inhalten nimmt, handele es sich nicht um eine willentliche Bereitstellung einzelner, konkreter Beiträge. Allein der Umstand, dass ein für rechtmäßige Zwecke zu dienen bestimmtes und geeignetes Medium im Einzelfall auch durch Dritte für deren rechtswidriges Verhalten genutzt werden könne, reiche nicht aus, um die Adäquanz des Verhaltens des Diensteanbieters zu begründen. Die Beklagte stelle nur eine neutrale Plattform zur Verfügung und sei zu einer Vorabprüfung nicht verpflichtet; für die Inhalte seien allein die einstellenden Nutzer verantwortlich.

Es gebe auch keine wirksamen Suchbegriffs-Filter. So hätten vorliegend Suchbegriffe wie zum Beispiel „Spiegel“ oder „Judentum“ zu viele Beiträge erfasst und folglich die Rede- und Informationsfreiheit erheblich beeinträchtigt. Selbst wenn es wirksame Suchbegriffs-Filter gäbe, blieben unzählige Inhalte übrig, die manuell nachgeprüft werden müssten, was für die Beklagte nicht zumutbar wäre. Auch bezüglich pornographischer Inhalte existierten keine Filter; deren unverzügliche Entfernung beruhe auf Nutzerhinweisen auf der Basis einer weltweit angeglichenen Wahrnehmung und auf ihrer Erkennbarkeit schon anhand von Standbildern und ohne Kontext.

Die Beklagte hält unter Bezugnahme auf zahlreiche Gerichtsentscheidungen eine Verpflichtung zur Vorabprüfung sämtlicher Inhalte wie auch eine Verpflichtung zur fortwährenden Prüfung anhand sämtlicher „Flaggings“ nicht für zumutbar. Eine Haftung der Beklagten als Internet Service Provider komme nur in Betracht, wenn sie über einen konkreten rechtsverletzenden Inhalt konkret in Kenntnis gesetzt werde. Für eine Kontrolle und Erkennbarkeit sei regelmäßig erforderlich, dass der Beklagten wenigstens ein Mindestmaß an erläuternden Informationen zur Kenntnis gebracht werde. Angesichts des mangelnden Informationsgehaltes könne das unverbindliche und flüchtige „Flagging“ formelle Beschwerden, die anhand der aus dem Impressum ersichtlichen Daten eingereicht werden konnten, nicht ersetzen.

Durch das „Flagging“ vom 16. Juli 2007 sei der Beklagten keine positive Kenntnis verschafft worden, so dass hiermit eine Prüfungspflicht für die Zukunft nicht ausgelöst worden sei. Das „Flagging“, das – unstreitig – nicht an die Rechtsabteilung der Beklagten weitergeleitet wird und nicht durch Juristen geprüft wird, sei nicht mehr als ein Hinweis auf „möglicherweise problematische“ Inhalte, ein Hinweis auf nach Ansicht der Nutzer unangemessene (nicht notwendig rechtswidrige) Inhalte. Es löse nur eine Plausibilitätskontrolle aus. Zu berücksichtigen sei, dass Empfänger des „Flagging“ ein allein im Hinblick auf den US-amerikanischen Markt instruierter Mitarbeiter gewesen sei, zu einem Zeitpunkt, als ein US-amerikanisches Unternehmen ein englischsprachiges, US-amerikanisches Angebot für US-amerikanische Nutzer angeboten habe. Das „Flagging“ erfolge aus und in ein Umfeld, in dem eine „Flagging“-Mitteilung nicht als formelle Beschwerde angesehen werden könne. Beim „Flagging“ gebe irgendein Meldender seine persönliche Ansicht wieder, während im Bereich von Persönlichkeitsrechtsverletzungen die Inkenntnissetzung durch den Betroffenen erforderlich sei. Sowohl dem Absender als auch dem Empfänger des „Flagging“ sei der beschränkte Zweck des „Flagging“ bekannt; der Empfänger messe ihm zu Recht nicht den Erklärungswert eines rechtsverbindlichen Hinweises auf eine Rechtsverletzung bei.

Der Mitarbeiter L. der Beklagten habe weder die Person noch die Funktion des Ehemannes der Klägerin gekannt. Ohnehin sei der Beklagten eine etwaige Kenntnis ihres Mitarbeiters von der Rechtsverletzung weder nach § 166 BGB noch nach § 831 BGB zuzurechnen.

Freiwillige Vorkehrungen wie vorliegend das „Flagging“ dürften nach US-amerikanischen Recht nicht zur Begründung einer Haftung herangezogen werden.

Schließlich stehe dem geltend gemachten Zahlungsanspruch entgegen, dass eine Störerhaftung nicht Grundlage für Ersatzansprüche sein könne. Da der Beitrag zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung schon 14 Tage beseitigt war, sei der Hinweis ins Leere gegangen, und es fehle daher auch an einem Fremdgeschäftsführungswillen, der einen Zahlungsanspruch gemäß §§ 683, 677, 670 BGB auslösen könne. Die Abmahnung sei auch nicht mehr im Interesse der Beklagten gewesen, da sie objektiv nicht mehr nützlich gewesen sei und damit nicht mehr dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen habe.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte hat mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25. November 2009 weitere Ausführungen gemacht.

[bearbeiten] Entscheidungsgründe

I.

Der mit der zulässigen Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, denn die angegriffene Äußerung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr das postmortale Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemannes.

Die Kammer hat in ihrem Urteil vom 5. Dezember 2008 in dem vorangegangenen Einstweiligen Verfügungsverfahren (Az. 324 O 198/08) Folgendes ausgeführt:

Die Kammer ist für den gesamten in Frage stehenden Sachverhalt international und örtlich zuständig und nicht lediglich für Geschehnisse seit Einführung des deutschsprachigen Angebots www.y…..de; materiellrechtlich ist Deutsches Recht anzuwenden (1). Ein Verfügungsgrund ist gegeben (2). Die Antragstellerin ist als Witwe des von dem streitgegenständlichen Video unmittelbar betroffenen ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Herr S. aktiv legitimiert (3). Das streitgegenständliche Video verletzt den verstorbenen Ehemann der Antragstellerin in seinem postmortalen Persönlichkeitsrecht (4). Die Antragsgegnerin haftet aufgrund einer Prüfpflichtverletzung nach den Grundsätzen der Störerhaftung für diese Rechtsverletzung (5). Die Antragsgegnerin haftet aber jedenfalls, da sie in ihr deutschsprachiges Angebot das angegriffene Video trotz „Flaggings“ ohne Überprüfung nach deutschem Recht eingestellt hat (6). Wiederholungsgefahr liegt vor (7).

1) Das Landgericht Hamburg ist für den streitgegenständlichen Sachverhalt umfassend international und örtlich zuständig, auch soweit es um Umstände vor Einführung des deutschsprachigen Angebots der Antragsgegnerin www.y…..de am 8. 11. 2007 geht. Ein bestimmungsgemäßes Verbreiten in Deutschland liegt bereits im Vorhalten des Angebots www.y….com, da auch das englischsprachige Angebot bestimmungsgemäß in Deutschland zugänglich gemacht wurde:

Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO. Die deutschen Gerichtsstandsvorschriften sind grundsätzlich doppelfunktional, sie legen auch den Umfang der deutschen internationalen Zuständigkeit fest (Zöller-Geimer ZPO Kommentar, 27. Aufl. IZPR Rn 37).

Die in derselben Vorschrift geregelte örtliche Zuständigkeit wird bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch massenmedial verbreitete Äußerungen gem. § 32 ZPO für jeden Ort der bestimmungsgemäßen Verbreitung der jeweiligen Publikation gegeben (sog. fliegender Gerichtsstand der Presse). Dabei kommt es für die Frage der „bestimmungsgemäßen Verbreitung“ nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 1977, 1590, 1591) nicht darauf an, ob der Anspruchsgegner den jeweiligen Ort „nach seiner Intention auch wirklich erreichen will“; ausreichend ist vielmehr, wenn er mit der Verbreitung an diesem Ort nur „rechnen musste“. Gleiches muss aufgrund der Doppelfunktionalität der Vorschrift des § 32 ZPO auch für die Frage der internationalen Zuständigkeit gelten.

Für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kommt es nach Ansicht des Landgerichts Düsseldorf bei Online-Veröffentlichungen darauf an, ob die Website, gegen die der Verletzte vorgehen möchte, in Deutschland bestimmungsgemäß abrufbar ist, was nur dann der Fall sei, wenn sie einen über die bloße Abrufbarkeit der Website hinausgehenden Inlandsbezug aufweise (vgl. LG Düsseldorf Urt. v. 19. 1. 2008, 12 O 393/02 zitiert nach Juris, Juris Abs. 39, wo es um eine in New York verlegt Tageszeitung ging).

Es kann hier offen bleiben, ob ein solcher Inlandsbezug zu fordern ist. Dieser ist vorliegend jedenfalls gegeben. Bereits das Internetangebot der Seite www.y….com richtete sich bestimmungsgemäß auch an Nutzer in Deutschland. Zwar hielt die Antragsgegnerin bis zum 8. 11. 2007 lediglich ein englischsprachiges Internetangebot vor. Allerdings handelte es sich dabei (anders als in dem vom Landgericht Düsseldorf aaO entschiedenen Fall) nicht um ein Angebot, das sich speziell an US-Bürger richtete.

Bereits die Seite www.y….com ermöglichte unstreitig das Einstellen und Abrufen von Videos weltweit. Es konnten unstreitig nicht nur Videos in englischer Sprache und mit englischen Titeln eingestellt werden, sondern auch in anderen Sprachen. So war es möglich deutschsprachige Videos mit deutschsprachigen Titeln (wie etwa auch dem Titel des streitgegenständlichen Videos) einzustellen. Lediglich die Benutzerführung der Internetseite war in englischer Sprache gehalten. Dies spricht aber nicht notwendigerweise gegen eine bestimmungsgemäße Verbreitung in Deutschland, da Englischkenntnisse auch in der Bundesrepublik Deutschland weit verbreitet sind und diese auch nicht so vertieft sein müssen, dass ein englischsprachiges Video verstanden wird, sondern lediglich insoweit, um deutschsprachige Videos aufzufinden und aufzurufen. Das Konzept der Antragsgegnerin war damit bereits mit dem Angebot unter www.y….com nicht auf englischsprachige Filme beschränkt. Darüber hinaus ist die top-level-domain „.com“ keinem Land zugeordnet. Der Ländercode für die USA wäre „.us“. „Com“ steht für „commercial“, nicht (jedenfalls nicht mehr) für ein bestimmtes Land. Eine solche Homepage spricht in besonderer Weise ein weltweites Publikum an, da sie gerade nicht auf lokale oder auch nur landesspezifische Inhalte schließen lässt, was auch dem Inhalt der Seite www.y….com entspricht, auf der Videos aus der ganzen Welt eingestellt und abgerufen werden können.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass sich bereits aus den von der Antragstellerin eingereichten Anlagen unbestritten eine intensive Nutzung bereits des Angebots www.y….com auch in Deutschland ergibt. Das spiegelt sich insbesondere auch in der Auseinandersetzung deutscher Fernseh- und Printmedien (Anlagen ASt 5 bis 10) wieder, die sich mit dem Problem von „Nazi-Inhalten“ bei Y…. zum Teil bereits deutlich vor Einführung der deutschsprachigen Version auseinandersetzten. So werden etwa in einem Beitrag des … vom 27. 8. 2007 diverse deutsche Texte aus dem Angebot www.y….com mit nationalsozialistischem Hintergrund zitiert. In dem Beitrag heißt es unter anderem: „2005 wurde Y…. gegründet. Heute ist es eines der gefragtesten Internetangebote überhaupt. Vor allem für Jungendliche ein Massenmedium“ (Beitrag des SWR ASt 5 S. 1). Und an anderer Stelle: „Dieselbe Erfahrung machte Jugendschutz.net, die zentrale Einrichtung der Bundesländer für den Jugendschutz im Internet. Die Beschwerdestelle hat Y…. seit Monaten im Visier. In mehr als hundert Fällen hat Jugendschutz.net wegen indizierter Hassvideos abgemahnt.“ Auch wird in diesem Beitrag der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Herr W. damit zitiert, dass es dringend an der Zeit sei, dass der zuständige Staatsanwalt Ermittlungen aufnehme. Firma G. habe dem … geschrieben: „Ebenso kooperiert Y…. mit den Staatlichen Stellen, wie zum Beispiel den polizeilichen Ermittlungsbehörden (…)“ (Anlage ASt 5 Seite 2). Auch Berichterstattung von „ Zeitung S. Online“, die sich mit dieser Problematik beschäftigt, stammt aus dem August 2008 (Anlage ASt 10).

Wenn bereits ein sehr spezieller Bereich der Nutzung des Angebots der Antragstellerin unter www.y….com in Deutschland (Nutzung für nationalsozialistische Inhalte) für eine nicht unerhebliche politische und mediale Debatte in Deutschland sorgt, lag zu dieser Zeit insgesamt jedenfalls eine Nutzung des Angebots der Antragsgegnerin in Deutschland vor, die nicht mehr als zufällig, ungewollt oder sporadisch bezeichnet werden kann und die auch der Antragstellerin selbst nicht verborgen geblieben sein konnte (und angesichts des Gesprächs mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland vom 20. 10. 2007 zu gerade dieser Problematik auch nicht verborgen geblieben war). Sie musste damit mit einer Verbreitung ihres Angebots in Deutschland rechnen, nachdem dies in einem Maße bereits erfolgt war, das politische und mediale Debatten ausgelöst hatte.

Das Landgericht Hamburg ist auch gem. § 32 ZPO örtlich zuständig, da die bestimmungsgemäße Verbreitung des Internetangebots www.y….com in ganz Deutschland auch eine Verbreitung in Hamburg einschließt. Gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist wegen der bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit des angegriffenen Videos in Deutschland deutsches Recht anwendbar.

2) [Ausführungen zum Verfügungsgrund]

3) Im vorliegenden Fall streiten die Parteien um einen Anspruch wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von Herr S. aus Art. 1 GG. Anspruchsberechtigt sind insoweit nur die nächsten Angehörigen (Ehegatte, Kinder, Lebensgefährte bzw. Eltern, vgl. dazu: Löffler/Ricker Handbuch des Presserechts, 5. Aufl. 42. Kap. Rn 5 mit weiteren Nachweisen). Die Ehefrau als Antragstellerin ist damit aktiv legitimiert.

4) Das streitgegenständliche Video verletzt das postmortale Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Ehemannes der Antragstellerin und ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Herr S. in besonders schwerwiegender Weise. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab beim Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist das Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde (BVerfG Beschluss vom 5. 4. 2001, 1 BVR 932/94, zitiert nach Juris, dort Juris Abs. 18). Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Steht fest, dass eine Maßnahme in den Schutzbereich des postmortalen Persönlichkeitsrechts eingreift, ist zugleich ihre Rechtswidrigkeit geklärt. Der Schutz kann nicht etwa im Zuge einer Güterabwägung relativiert werden (BVerfG aaO Juris Abs. 19).

Bei einem Video, in dem das Foto des verstorbenen ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland vor einem Hakenkreuz in den Farben der Reichskriegsflagge verbrannt wird, wobei Geräusche zu hören sind, die sich zum Teil wie ein Kichern anhören, wird seine Menschenwürde in besonders krasser und schwerwiegender Weise in ihrem Kern verletzt.

5) Die Antragsgegnerin haftet für diese offenkundige Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts aufgrund der Verletzung von Prüfungspflichten als Störerin. Die Frage, ob die Antragsgegnerin eine Vorabprüfungspflicht trifft, war im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Vorliegend haftet die Antragsgegnerin bereits aufgrund einer konkreten Prüfpflichtverletzung.

Die Kammer tendiert insoweit zwar dazu, auf eine Internetplattform, in die Videos eingestellt werden, wie die der Antragsgegnerin, den „gleitenden Sorgfaltspflichtmaßstab“ anzuwenden, wie sie ihn in dem Verfahren 324 O 794/07 hinsichtlich der Frage nach Prüfpflichten von Forenbetreibern angenommen hat. Danach ist eine Abwägung vorzunehmen: Je mehr konkreter Anlass zu der Befürchtung besteht, dass es zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen Dritter kommen wird, und je schwerwiegender die zu befürchtenden Verletzungen sind, umso mehr Aufwand muss der Betreiber auf sich nehmen, um die auf seiner Seite eingestellten Kommentare einer persönlichkeitsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Ist mit großer Sicherheit vorhersehbar, dass es zu schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen kommen wird, so kann die Prüfpflicht des Betreibers bis hin zu einer Dauer- oder Vorabkontrollpflicht anwachsen, was umso mehr gilt, wenn die Möglichkeit eröffnet wird, Kommentare auch unter Verwendung von Pseudonymen einzustellen. Aus dem Umfang der Daten kann dagegen nicht ohne weiteres die Unzumutbarkeit einer Überwachung hergeleitet werden. Wer ein öffentliches Diskussionsforum eröffnet, kann sich seiner Pflicht zur angemessenen Überwachung dieses Forums nicht dadurch entziehen, dass er es auf ein für ihn nicht mehr angemessen kontrollierbares Maß anwachsen lässt (vgl. insoweit das Urteil der Kammer vom 4. 12. 2007, Aktenzeichen324 O 794/07).

Das Angebot der Antragsgegnerin ist derartigen Internetforen insoweit vergleichbar, als auch von ihr Speicherplatz für Veröffentlichungen Dritter zur Verfügung gestellt wird und auch sie ihren Nutzern die Möglichkeit eröffnet, die Beiträge anonym einzustellen. Ein Unterschied zwischen dem Angebot der Antragsgegnerin und den Anbietern von Internetforen besteht in der besonders großen Datenmenge und dem Umstand, dass eine Prüfung eingestellter Videos sich besonders aufwändig gestaltet.

Im vorliegenden Fall kann letztlich offen bleiben, welcher Sorgfaltspflichtmaßstab für das Internetangebot der Antragsgegnerin bei der Kontrolle der bei ihr eingestellten Videos im Hinblick auf diesen gleitenden Sorgfaltspflichtmaßstab zu gelten hat. Selbst wenn man den – soweit ersichtlich – mildesten Haftungsmaßstab, den die Rechtsprechung im Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrecht bislang angenommen hat und den die Antragsgegnerin auch selbst für sich proklamiert, wonach ein konkreter Hinweis auf eine offenkundige, vom zuständigen Sachbearbeiter unschwer zu erkennende Rechtsverletzung erforderlich ist (vgl. etwa BGH NJW 2001, 3265 (3267/3268) – „ambiente“ zur Haftung der „denic“ bei domain-Registrierungen) zugrunde legt, hat die Antragsgegnerin dennoch gegen ihr obliegende Prüfpflichten verstoßen.

Die Antragsgegnerin ist auf eine besonders krasse Rechtsverletzung (offenkundiger Fall einer schweren Verletzung der Menschenwürde) hin trotz positiver Kenntnis über einen Zeitraum von etlichen Monaten untätig geblieben und hat den Beitrag in ihrem Angebot weiter vorgehalten. Dies stellt eine Prüfpflichtverletzung auch nach dem der Antragsgegnerin denkbar günstigsten und von ihr für sich proklamierten Prüfungsmaßstab dar.

Jedenfalls aufgrund des „Flaggings“ von der Mitarbeiterin des Zentralrats der Juden in Deutschland D. vom 16. 7. 2007 hatte die Antragsgegnerin Kenntnis von dem streitgegenständlichen Video und hat eine ihr obliegende konkrete Prüfpflicht verletzt, indem sie das Video dennoch in ihrem Angebot weiter vorgehalten hat. Mit diesem Flagging“ lag bei der Antragsgegnerin ein konkreter Hinweis auf eine konkrete und offenkundige, besonders krasse Rechtsverletzung vor.

Die Antragsgegnerin kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass das „Flagging“ zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, dessen Beurteilung der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen wäre (a). Sie kann sich desweiteren nicht darauf berufen, dass es sich bei dem „Flagging“ um eine gänzlich unverbindliche, freiwillige Maßnahme handele (b). Auch kann sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, dass das „Flagging“ (nach seiner Struktur im allgemeinen und auch im vorliegenden Fall) nicht hinreichend konkret sei, damit sie Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt habe, die Prüfpflichten habe auslösen können (c). Sie kann sich schließlich nicht darauf zurückziehen, die Kenntnis ihres Mitarbeiters, der das „Flagging“ bearbeitet habe, sei ihr nicht zuzurechnen (d).

a) Das Argument, dass das „Flagging“ vom 16. 7. 2008 zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als es ein auf den deutschen Markt ausgerichtetes Angebot der Antragsgegnerin noch nicht gegeben habe, also in einem anderen Sachverhalt, der der Beurteilung des Gerichts entzogen sei, und zu einem Zeitpunkt, zu dem der Sachverhalt noch gar nicht nach deutschem Recht zu beurteilen gewesen sei, greift nicht durch. Insoweit gilt das bereits oben unter 2) Ausgeführte. Wegen der bestimmungsgemäßen Verbreitung sind die deutschen Gerichte zuständig und deutsches Recht ist anwendbar.

b) Die Antragsgegnerin kann sich auf nicht darauf zurückziehen, dass es sich bei dem „Flagging“ um eine gänzlich unverbindliche, freiwillige Aktion handele, die lediglich ein „Frühwarnsystem“ darstelle: Bei der Möglichkeit des „Flagging“ handelt es sich um eine v on ihr selbst geschaffene Struktur, um Rechtsverletzungen zu melden. Wenn ein Diensteanbieter eine Struktur schafft, durch die Nutzer „unangemessene“ Inhalte mitteilen können, dann müssen die Mitteilungen, die den Diensteanbieter über diese von ihm selbst geschaffene Hinweisstruktur erreichen, von ihm auch ernst genommen und es muss solchen Hinweisen sorgfältig nachgegangen werden. Mithin sind Filme, die „geflagged“ wurden, vom Diensteanbieter einer Kontrolle zu unterziehen. Nichts anderes teilt die Antragsgegnerin auch auf ihrer Homepage den Nutzern, die einen Beitrag „geflagged“ haben, selbst mit, wenn es heißt: „… so that we can review it and determine wether it violates our Community Guidelines…“, jetzt in der deutschen Version: „…damit wir die Angelegenheit prüfen und entscheiden können, ob das Video gegen unsere Community-Richtlinien verstößt…“. Die Antragsgegnerin sagt damit selbst ihren Nutzern eine konkrete Überprüfung des beanstandeten Videos (jedenfalls im Hinblick auf ihre „Community Richtlinien“) zu. Dies ist ohne eine Inaugenscheinnahme des Videos bereits vom Ansatz her nicht möglich.

Die Antragsgegnerin kann für Beanstandungen ihrer Nutzer nicht einen konkreten „Rüge-Weg“ eröffnen und sich hinterher darauf zurückziehen, das Beschreiten dieses Weges sei folgenlos, da er völlig unverbindlich sei und eine formelle Beschwerde erforderlich gewesen wäre. Dies gilt um so mehr, als weder von der Antragsgegnerin vorgetragen noch sonstwie ersichtlich ist, dass die Antragsgegnerin auf ihren Internetseiten darauf hinweisen würde, dass es sich bei dem „Flagging“ der Nutzer um eine völlig unverbindliche Maßnahme handele und dass bei einer Beschwerde, die von ihr tatsächlich ernst genommen werden solle, ein ausführlicheres Schreiben per e-mail, Fax oder Brief übersandt werden müsse. In diesem Zusammenhang kann die zwischen den Parteien streitige Frage offen bleiben, ob derartige Kontaktmöglichkeiten im Zeitpunkt des „Flaggings“ von Frau D. auf der Homepage überhaupt vorhanden waren. Jedenfalls wird den Nutzern, die einen Beitrag rügen wollen durch das von der Antragsgegnerin selbst geschaffene Konzept des „Flaggings“ nahe gelegt, sich dieser Struktur zu bedienen und gerade nicht, den allgemeinen Kontakt zu suchen und einen selbstformulierten Beschwerdetext an eine allgemeine Adresse zu übersenden.

Die von der Antragsgegnerin selbst geschaffene Struktur legt es für Nutzer nahe, dass gerade die Übersendung eines allgemeinen Textes nicht in gleicher Weise an die richtige Abteilung bei der Antragsgegnerin gelangen könnte, das „Flagging“ jedoch mit Sicherheit bei Mitarbeitern ankomme, die gerade für die Bearbeitung derartiger Probleme zuständig sind.

Wer aber wie die Antragsgegnerin als formellen Weg für die Rüge unangemessener Videos das „Flagging“ einführt und die Nutzer hierauf verweist, ohne auf die Unverbindlichkeit dieses Rügeweges hinzuweisen und ohne darzulegen, welcher Weg stattdessen beschritten werden müsse, damit eine Rüge auch ernsthaft bearbeitet wird, der muss sich an der von ihm selbst geschaffenen Struktur festhalten lassen.

c) Auch kann sich die Antragsgegnerin darauf berufen, dass das „Flagging“ (nach seiner generellen Struktur und auch im Hinblick auf den hier vorliegenden konkreten Fall) nicht hinreichend konkret sei, damit sie Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt habe, die Prüfpflichten habe auslösen können.

Zwar weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass in dem „Flagging“ im vorliegenden Fall keine Informationen bis auf die „Rüge-Kategorie“ angegeben wurden.

Auch ohne weitere Angaben hatte die Antragsgegnerin aber positive Kenntnis von der vorliegenden besonders krassen Rechtsverletzung. Die Antragsgegnerin war mit dem „Flagging“ auf das konkrete streitgegenständliche Video hingewiesen worden. Dieses Video enthält nach dem gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB anzuwendenden deutschem Recht eine derart offensichtliche und schwerwiegende Verletzung der Menschenwürde der auf dem Foto abgebildeten Person, dass eine positive Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieses Videos sich bereits aus dem Video als solchem ohne weiteres erschließt, und zwar ohne dass hierfür noch zusätzliche Informationen mitgeteilt werden müssten. Wenn vor einem Hakenkreuz das Porträtfoto einer Person verbrannt wird, erschließt sich die Verletzung der Menschenwürde eben dieser abgebildeten Person bereits ohne weiteres aus der Symbolik der Verbrennung des Bildnisses in Verbindung mit der Symbolik des Hakenkreuzes.

Darüber hinaus war im vorliegenden Fall sehr wohl ein deutlicher Hinweis auf Deutschland gegeben, da der Titel des Videos in deutscher Sprache verfasst war („Dem Feuer übergeben“). Auch ein möglicher Hinweis auf den Namen des Betroffenen war gegeben, da das Video von einem Nutzer unter dem Pseudonym „ P.“ eingestellt worden war.

Wieso das „Flagging“ keine positive Kenntnis von der Rechtsverletzung auslösen konnte, da es nicht vom Aktivlegitimierten selbst durchgeführt wurde, erschließt sich der Kammer nicht. Es ist nicht ersichtlich, wieso die Kenntnis von einer krassen Rechtsverletzung (die sich aus dem Video als solchem ergibt) davon abhängen sollte, dass der Aktivlegitimierte und nicht ein Dritter auf diesen Rechtsverstoß aufmerksam macht.

d) Die Antragsgegnerin kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass ihr die Kenntnis des Mitarbeiters nicht zuzurechnen sei, da sie selbst gerade den betreffenden Mitarbeiter für diese Tätigkeit eingesetzt hat.

Eine Haftung der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 831 BGB. Verrichtungsgehilfe im Sinne dieser Vorschrift ist, wem von einem anderen, in dessen Einflussbereich er steht und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht, eine Tätigkeit übertragen worden ist (vgl. Palandt-Sprau BGB Kommentar 68. Aufl. § 831 Rn 5), so etwa ein Arbeitnehmer für die Ausführung ihm übertragener Arbeit (Palandt aaO Rn 6). Wenn die Antragsgegnerin Personen einstellt, die für sie die „geflaggden“ Videos in Augenschein nehmen und auf Rechtsverletzungen überprüfen sollen, so stellen diese Verrichtungsgehilfen dar und sie haftet für deren Verhalten (aufgrund der Kenntnis, die bei der von ihr eingestellten Person vorliegt) aus § 831 BGB. Eine Exkulpationsmöglichkeit kommt insoweit nicht in Betracht, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls Herausgeber und Verleger eine erforderliche Inhaltskontrolle so organisieren müssen, dass sie sich für ein Verschulden der mit diesen Aufgaben betrauten Personen nicht entlasten können (vgl. BGH, Urteil vom 8. 7. 1980, Aktenzeichen VI ZR 158/78, zitiert nach Juris, Juris Abs. Nr. 63 – Medizin Syndikat II). Dies muss in gleicher Weise für das Vorhalten eines Angebots wie dem vorliegenden gelten.

Darüber hinaus liegt ein eigenes Organisationsverschulden der Antragsgegnerin vor, das zu einer eigenen Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB führt (vgl. dazu Palandt aaO § 831 Rn 2). Die Antragsgegnerin stellt sich auch im vorliegenden Verfahren auf den Standpunkt, dass eine Überprüfung nach Vereinbarkeit mit deutschem Recht nicht durchzuführen war. Wenn die Antragsgegnerin aber trotz einer bestimmungsgemäßen Verbreitung auch in Deutschland keine Überprüfung der Vereinbarkeit mit deutschem Recht durch ihre Mitarbeiter – noch nicht einmal im Hinblick auf besonders krasse Verstöße wie dem hier vorliegenden – veranlasst und bei einer konkreten Beanstandungen eines Videos mit deutschsprachigem Titel insoweit nicht überprüfen lässt, liegt darin bereits ein eigenes (Organisations-) Verschulden, so dass sie jedenfalls aus eigenem Verschulden haftet, wenn ihre Mitarbeiter Kenntnis von Videos erlangen, die nach deutschem Recht ersichtlich rechtswidrig sind und sie eine Überprüfungsstruktur geschaffen hat, die derartig schwerwiegende Rechtsverstöße unberücksichtigt lässt. Damit ist die Antragstellerin aber eigenen Prüfpflichten, die durch das konkretes „Flagging“ entstanden waren, nicht nachgekommen.

6) Die Antragsgegnerin haftet aber – unabhängig von sämtlichen vorangegangenen Erwägungen – jedenfalls, da sie in ihr deutschsprachiges Angebot auch Videos eingestellt hat, die bereits „geflagged“ worden waren, ohne dass sie eine Überprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit mit deutschem Recht vorgenommen hätte.

Auch wenn man also von einer Anwendbarkeit des deutschen Rechts erst mit der Einführung des Angebots www.y…..de ausgehen würde und in dem Untätigbleiben auf das „Flagging“ durch die Mitarbeiterin des Zentralrats der Juden in Deutschland D. keine Prüfpflichtverletzung sehen würde, wäre eine Haftung der Antragsgegnerin gegeben.

Die Antragsgegnerin trägt selbst vor, dass der Inhalt ihres (zuvor nicht auf eine Vereinbarkeit mit deutschem Recht überprüften) Angebots aus www.y….com ab dem 8. 11. 2007 auch als deutschsprachiges Internetangebot eingeführt wurde. Unstreitig wurde dabei auch das streitgegenständliche Video in das deutschsprachige Angebot aufgenommen. Die Antragsgegnerin musste sich bewusst sein, dass sie eine riesige Datenmenge in ein deutsches Internetangebot einstellte, die sie nicht auf Vereinbarkeit mit deutschem Recht überprüft hatte. Weiter hatte sie bereits über das „Flagging“ Warnhinweise auf Rechtsverletzungen auch im Hinblick auf Videos mit deutschen Titeln erhalten. Darüber hinaus wusste sie, dass in Deutschland bereits eine Diskussion über die rechtsradikalen Inhalte, die auf ihrer Seite verbreitet wurden, entstanden war, zumindest da bereits am 25. 10. 2007 (also noch vor der Einführung von www.y…..de am 8. 11. 2007) sogar auf ihre Initiative hin ein erstes Gespräch zwischen ihr und Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland zu der Problematik rechtsradikaler Videos bei der Antragsgegnerin stattgefunden hatte.

In dieser konkreten Situation führte die Antragsgegnerin ein (insoweit unstreitig bestimmungsgemäß auf eine Verbreitung in Deutschland gerichtetes) Angebot ein, von dem sie zumindest nicht sicher sein konnte, dass es mit dem deutschen Recht vereinbar war. Jedenfalls mit der Einführung von www.y…..de in der konkreten Situation traf die Antragsgegnerin eine Prüfpflicht, die sich zumindest auf die Beiträge mit deutschsprachigem Titel bezog, die bereits „geflagged“, aber nicht gesperrt worden waren, und deren Vereinbarkeit mit deutschem Recht bislang nicht geprüft worden war. Jedenfalls und spätestens hierin liegt eine Prüfpflichtverletzung der Antragsgegnerin.

7) Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird durch die Erstbegehung indiziert, es wurde keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, die einstweilige Verfügung der Kammer wurde nicht als endgültige Regelung anerkannt und auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die eine Wiederholungsgefahr entfallen lassen könnten. Dass die Abmahnung erst nach Entfernung des Videos durch die Antragsgegnerin erfolgte, ändert hieran nichts.

An dieser im vorläufigen Verfügungsverfahren geäußerten Auffassung hält die Kammer fest und nimmt vollumfänglich hierauf Bezug. Der im vorliegenden Hauptsacheverfahren vertiefte Vortrag der Parteien gibt keinen Anlass, hiervon abzurücken.

Wie im Urteil vom 5. Dezember 2008 ausgeführt, kann hinsichtlich der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die Frage der bestimmungsgemäßen Verbreitung nicht auf die interne Intention des Verbreiters abgestellt werden. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der faktischen Entwicklung schon vor der Einführung der deutschsprachigen Seite mit einer nicht nur unerheblichen Nutzung durch deutsche Nutzer ihres Angebotes unter www.y….com rechnen musste.

Dass das streitgegenständliche Video die Persönlichkeitsrechte des verstorbenen Ehemannes der Klägerin verletzt, nimmt auch die Beklagte nicht in Abrede. Gegen die Beklagte besteht ein Unterlassungsanspruch, weil sie trotz Kenntnis diesen offensichtlich menschenverachtenden Beitrag nicht gelöscht hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Mitarbeiter, der das „Flagging“ bearbeitete, Herr S. kannte oder hätte kennen müssen. Ein derartiges Video verletzt offenkundig die Persönlichkeitsrechte jedes Menschen, dessen Fotografie in einer solchen „Inszenierung“ verbrannt wird. Für die fehlerhafte Einschätzung ihres Mitarbeiters als nicht unangemessen hat die Beklagte jedenfalls deshalb einzustehen, weil sie trotz der faktischen Nutzung ihres Portals durch Nicht-US-Bürger, insbesondere durch Deutsche, nicht gewährleistete, dass Beanstandungen von entsprechend geschultem Personal bearbeitet werden. Wie bereits im Urteil vom 5. Dezember 1988 ausgeführt, kann sich die Beklagte insoweit nicht darauf berufen, bei dem „Flagging“ handele es sich ja um eine zusätzliche, freiwillige Maßnahme der Selbstkontrolle, welche für die Beanstandung von Persönlichkeitsverletzungen nicht den richtigen Weg darstelle. Denn sie hat diesen einfachen und schnellen Weg der Beanstandung selbst eingeführt und Nutzern wie der Zeugin D. den Eindruck vermittelt, dass derartige Beanstandungen auch geprüft würden. Insoweit ist das „Flagging“ auch geeignet, formelle Beanstandungen zu verhindern oder zumindest zu verzögern; die Beklagte muss sich deshalb an diesem von ihr bereitgestellten Verfahren festhalten lassen.

Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat und ihren Standpunkt auch im Hauptsacheverfahren verteidigt, liegt auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr vor.

II.

Aufgrund ihrer schuldhaften Pflichtverletzung hat die Beklagte der Klägerin auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB deren Rechtsverfolgungskosten zu erstatten. Für das anwaltliche Abmahnschreiben vom 22. Februar 2008 (Anlage K 3) kann sie Zahlung des hierfür geltend gemachten Betrages verlangen. Dabei ist es unbeachtlich, dass der Videobeitrag bei Abfassung des Schreibens bereits gelöscht war. Denn unabhängig davon bestand und besteht der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch, da die Wiederholungsgefahr regelmäßig allein durch Entfernung einer beanstandeten Beitrages von der Internetseite nicht entfällt.

III.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 25. November 2009 gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Der Festsetzung des Streitwertes liegen die §§ 3, 4 ZPO zugrunde.

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