324 O 1095/07 - Prominente präsentiert sich mit ihrem „neuen Mann”

Aus Buskeismus

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Inhaltsverzeichnis


Landgericht Hamburg

URTEIL

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr. : 324 O 1095/07

Verkündet am: 18.4.2008

Andresen, JAe als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle


In der Sache

...

- Klägerin -

Prozessbevollmächtigte ...


gegen

- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte Schweizer pp., Arabellastr. 21, 81925 München,Gz.: 1481/07UB10,

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24, auf die mündliche Verhandlung vom 7.3.2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske den Richter am Landgericht Dr. Korte die Richterin am Landgericht Dr. Goetze


für Recht:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.367,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2007 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 15.000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Geldentschädigung sowie die Erstattung von Anwaltsgebühren für eine Presseberichterstattung, in der über die ehemalige Tätigkeit ihres Lebensgefährten als Darsteller in Pornofilmen berichtet wurde.

Die Klägerin ist Schauspielerin. Anlässlich der Vergabe des Deutschen Filmpreises in Berlin ließ sie sich mit ihrem neuen Lebensgefährten, ..., fotografieren und erklärte dazu gegenüber Journalisten: "Das ist ..., mein neuer Mann, das dürfen Sie ruhig schreiben."

Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift ... (Auflage: 1.029.678 Exemplare nach IVW II/07). In deren Ausgabe vom 13.6.2007 erschien ein Artikel mit der Überschrift "... Zerbricht ihr Herz an dieser Peinlichkeit?" (Anlage K 2). Darin hieß es u.a.: ...

Dazu druckte die Beklagte ein Foto ab, auf dem das Gesicht und der nackte Oberkörper ... zu sehen sind (Bildunterschrift: ...).

Zuvor war bereits in der "Bild"-Zeitung über das Thema berichtet worden (Anlage K 1).

Pornographische Filme, in denen ... mitgewirkt hat, sind in Videotheken ausleihbar.

Auf Abmahnung der Klägerin gab die Beklagte Unterlassungsverpflichtungserklärungen ab (Anlagen K 4 und 5). Mit Schriftsatz vom 8.8.2007 ließ die Klägerin bei der Beklagten anfragen, inwiefern diese bereit sei, für die angegriffene Berichterstattung eine Geldentschädigung zu leisten (Anlage K 6). Darauf antwortete die Beklagte, eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung sei für sie nicht ersichtlich (Anlage K 7).

Die Klägerin vertritt die Ansicht, durch die angegriffene Berichterstattung werde ihre Intimsphäre verletzt. Bereits die Berichterstattung an sich, dass ihr Lebensgefährte in Pornofilmen mitgespielt habe, sei rechtswidrig. Es werde der Eindruck erweckt, sie habe etwas mit der Pornoindustrie zu tun. Sie werde zum Objekt sexueller Phantasien gemacht. Für ihr Schreiben vom 8.8.2007 könne sie die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren verlangen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen:
1.
an die Klägerin eine Geldentschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 15.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit betragen sollte,
2.
an die Klägerin 367,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Klägerin sei eine "absolute Person der Zeitgeschichte". Sie habe sich in ihrem Internettagebuch über ... geäußert. Auch wegen der "Vorberichterstattung" in der "Bild"-Zeitung scheide eine schwere Verletzung aus.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Entscheidungsgründe verwiesen.


Entscheidungsgründe

I.)

Die Klage ist nur zum Teil begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.


1.)

Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Artikeln 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu, allerdings nur in Höhe von 5.000,- €.

Voraussetzung des Geldentschädigungsanspruchs ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung, die nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann als durch Zahlung einer Geldentschädigung. Ob eine solche schwerwiegende Verletzung vorliegt, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Bei der Gesamtabwägung aller Umstände muss ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung bestehen (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1995. Az.: VI ZR 223/94. Juris, Abs. 11). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.


a.)

Durch die angegriffene Berichterstattung wird die Klägerin schwerwiegend in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts folgt allerdings nicht schon aus der schlichten Mitteilung, dass ihr Lebensgefährte in pornographischen Filmen mitgewirkt habe. Wer sich gegenüber Journalisten gezielt zu Veröffentlichungszwecken als "neues Paar" präsentiert, löst damit grundsätzlich jedenfalls hinsichtlich solcher Lebensumstände ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit aus, die der Öffentlichkeitssphäre zuzurechnen sind. Hierzu zählt die Information, dass ... in Porno-Filmen mitgespielt hat, denn diese Filme sind gerade dazu bestimmt, von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Die Veröffentlichung dieser Information durch die Beklagte mag der Klägerin zwar unerwünscht gewesen sein; wer sich Journalisten gegenüber gezielt zu Veröffentlichungszwecken präsentiert, kann jedoch nicht verlangen, ausschließlich in einer als "genehm" empfundenen Weise dargestellt zu werden.

Jedenfalls eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung kann auch nicht in der Spekulation darüber erblickt werden, ob das Herz der Klägerin "an dieser Peinlichkeit" zerbrechen werde. Insoweit fällt zu Lasten der Klägerin ins Gewicht, dass sie durch die öffentliche Präsentation ... als "neuer Mann" an ihrer Seite ihre Privatsphäre im Hinblick auf ihre persönlichen Empfindungen für ... zumindest partiell geöffnet hat.

Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Klägerin, wonach durch die angegriffene Berichterstattung der Eindruck erweckt werde, sie habe - von ihrer Liebesbeziehung mit einem ehemaligen Pornodarsteller abgesehen - mit der Pornoindustrie etwas zu tun. Denn wäre dies der Fall, bestünde aus der Sicht des durchschnittlichen Rezipienten kein Anlass dazu, bereits in der Überschrift die Frage aufzuwerfen, ob Ihr Herz an "dieser Peinlichkeit" zerbrechen werde.

Als schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist aber die Textpassage anzusehen, wonach ... in seinen "Pornoschinken" beweise, wie potent er sei, und dann "wirklich nicht mehr viel Fantasie" dazugehöre, sich vorzustellen, "von welcher Güte das Liebesleben ..." sei. Diese Äußerung greift in die - grundsätzlich absolut - geschützte Intimsphäre der Klägerin ein, denn sie fordert den Leser dazu auf, über das "Wie" des Sexuallebens der Klägerin mit ... Erwägungen anzustellen (zum Intimsphärenschutz des Sexuallebens vgl. BVerfG, 1 BvR 1783/05 vom 13.6.2007, Absatz-Nr. 88, www.bverfg.de; BVerfGE 47, 46; 49, 286). Die damit verbundene Persönlichkeitsrechtsverletzung wird intensiviert durch den Abdruck des Bildnisses .mit der Bildunterschrift "Hüllenlos [...]", denn damit wird die soeben beschriebene Suggestion bildlich unterfüttert.

Eine Selbstbegebung der Klägerin hinsichtlich dieses Teils ihres Privat- bzw. Intimlebens ist nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin habe sich in ihrem Internettagebuch über ... geäußert, soll damit offenbar Bezug genommen werden auf die als Anlage B 2 vorgelegte Berichterstattung der ... vom 17.12.2007, in der es unter Bezugnahme auf die Klägerin heißt:

Für ihr Internet-Tagebuch lieh sie sich gestern Worte aus der Inszenierung. für die sie zurzeit bis zur Erschöpfung probt: "... Diese ganz abstrakte Vorstellung von Liebe, letztlich Gefühle aus der Vergangenheit. man wird nur enttäuscht, wenn man sich so etwas wünscht und weiß ja doch, wie es endet ...", schreibt sie.

Die Kammer vermag - schon in Ermangelung des Kontextes dieser Äußerung im Internettagebuch der Klägerin - bereits nicht nachzuvollziehen, ob darin überhaupt eine Äußerung in Bezug auf ... zu erblicken ist.

Unerheblich ist, ob und inwieweit durch die "Vorberichterstattung" der "Bild"-Zeitung Persönlichkeitsrechte der Klägerin verletzt wurden, denn allein der Umstand, dass Verletzungshandlungen zu Lasten der Klägerin auch von Dritten vorgenommen worden sein mögen, kann die Beklagte nicht exkulpieren.


b.)

Der Beklagten fällt ein schweres Verschulden zur Last. Als langjährig am deutschen Markt erfahrenem Presseunternehmen musste es sich ihren Verantwortlichen aufdrängen, dass ihre Berichterstattung die Intimsphäre der Klägerin verletzen würde.


c.)

Der Grundsatz der Subsidiarität des Geldentschädigungsanspruchs wirkt sich nicht zu Lasten der Klägerin aus, denn anderweitige Ausgleichsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich. Insbesondere wäre die Geltendmachung von Gegendarstellung- und/oder Berichtigungsansprüchen der Klägerin jedenfalls nicht zumutbar.


4.)

Unter Gesamtabwägung aller Umstände besteht danach ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung. Beim Geldentschädigungsanspruch steht der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund; außerdem dient der Anspruch der Prävention (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995, Az.: VI ZR 332/94, Juris, Abs. 13). Gemessen daran erachtet die Kammer eine Verurteilung zur Zahlung von 5.000,- € für geboten, aber auch ausreichend.

Die angegriffene Berichterstattung greift zwar einerseits - wie oben ausgeführt – in die Intimsphäre der Klägerin ein; die Erwägungen bzw. Spekulationen der Beklagten zum "Wie" des Sexuallebens der Klägerin bewegen sich aber andererseits eher an der Oberfläche. Das Foto mit der Bildunterschrift "Hüllenlos [...]" zeigt ... zwar - soweit ersichtlich - nur mit einem Hut bekleidet. Von der Öffentlichkeit als besonders intim empfundene Körperregionen sind darauf jedoch nicht zu sehen. Ferner ist diesem Bild nicht zu entnehmen, in welcher Weise, geschweige denn mit wem ... darauf sexuelle Handlungen vollzieht. Es fehlt damit weitgehend an konkreten Detail-Informationen, die der Leser mit dem Sexualleben der Klägerin assoziieren könnte. In der Textberichterstattung wird zwar erwähnt, dass es in den Filmen ... "ungeschützt" sowie "einzeln und gruppenweise zur Sache" gehe. Nach Einschätzung der Kammer kann jedoch nicht zugrunde gelegt werden, dass der durchschnittliche Leser Veranlassung dazu sehen könnte, diese Angaben unmittelbar auf das Sexualleben der Klägerin zu übertragen, zumal in der angegriffenen Berichterstattung ausdrücklich (nur) vom "Liebesleben ..." die Rede ist.


2.)

Ferner kann die Klägerin gemäß § 823 Abs. 1 BGB von der Beklagten in der beantragten Höhe (367,90 €) die Erstattung von Anwaltsgebühren verlangen. Wie ausgeführt, hat die Beklagte durch Teile der angegriffenen Berichterstattung schuldhaft das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Die Anfrage der Klägerin, inwiefern die Beklagte bereit sei, hierfür eine Geldentschädigung zu leisten, zählte zu den Maßnahmen einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung. Die Klägerin kann für diese Anfrage - wie für eine konkrete Aufforderung zur Zahlung einer Geldentschädigung - die Erstattung einer (vollen) 1 ,3-Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 5.000,- € (siehe dazu oben) verlangen, denn gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG wird die Geschäftsgebühr auf die etwaige Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, nicht umgekehrt (BGH, B. v. 27.4.2006, Az.: VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560, 2560).


3.)

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Nebenentscheiduingen

II.)

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3, 4 ZPO.


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