27 O 799/08 - 16.12.2008 - Heesters vs. Kühn

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Inhaltsverzeichnis

BUSKEISMUS


URTEIL


Landgericht Berlin


Im Namen des Volkes


Az.: 27 O 799/07 verkündet am: 16.12.2008

[bearbeiten] Parteien

In dem Rechtsstreit

des Herrn Johannes Heesters

Antragsteller,

- Verfahrensbevollmächtigte: ...

gegen

Herrn Volker Kühn

Antragsgegnerin,

- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwälte

hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 2711.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Mauck, den Richterin am Landgericht Dr. Hinke die Richterin am Landgericht Becker

[bearbeiten] für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

[bearbeiten] Tatbestand

Der Kläger verlangt Unterlassung und Widerruf.

Der Kläger ist Schauspieler und Sänger. Der Beklagte ist Journalist und Buchautor und befasst sich mit der Verstrickung von Künstlern in den nationalsozialistischen Kulturbetrieb.

Der Kläger trat im Februar 2008 bei einem Konzert in seiner niederländischen Heimatstadt auf.

Aus diesem Anlass gab der Beklagte der niederländischen Zeitung „…“ ein Interview, in dessen Verlauf der Beklagte die im Antrag zu l. Ziffer 1–7 enthaltenen Äußerungen getätigt hat.

Dieses wurde am 16. Februar 2008 in der vorgenannten Zeitung unter der Überschrift „…“ veröffentlicht und stellt sich in der Übersetzung wie folgt dar:

ÜBERSETZUNG DES ARTIKELS VON-ACHILLE PRICK, AUS: „DE GELDERLANDER“
16. FEB 2008
„… trat in Dachau auf“
Zufolge eines Kenners des „Dritten Reichs“ lügt …
Von unserem Korrespondenten Achille Prick
Berlin
„… trägt Schuld, weil er lügt und neue Generationen nicht vor Diktaturen warnt.“ Das sagt der deutsche Schriftsteller und preisgekrönte Regisseur … eine Autorität des Gebiets: Showbusiness während des Dritten Reichs, … (104) wird heute in Amersfoort, seinem Geburtsort auftreten.
„… war ein Star der Nazis. Während die Niederlande unter der Besatzung litt (gebückt ging), sang … Lieder vor deutschen Soldaten um sie für das Schlachtfeld bei Laune zu halten. Und in Dachau ist er ganz bestimmt aufgetreten, Zeugen gäbe es auf einem Band (Ton- oder Film). Selbst hat er es stets bagatellisiert, aber ich begreife, dass die Niederländer das anders sehen.“ Der deutsche Regisseur, Schriftsteller und Produzent … (74) gilt in Deutschland als Autorität auf dem Gebiet „Entertainment während der Nazizeit in Deutschland“. Er produzierte zahllose Bücher und Fernsehdokumentationen über hundert Jahre deutsches Kabarett. Für seine Doppel CD „Mit den Wölfen geheult – Unterhaltung und Kabarett im Dritten Reich“, bekam er im letzten Jahr den deutschen Hörbuchpreis.
Darin wird auch ein Augenmerk auf …, dem niederländischen 104jährigen Entertainer gerichtet, der in Nazideutschland Furore machte. Dies machte ihn in den Niederlanden zur „persona non grata, aber trotz Proteste geht heute Abend ein lang ersehnter Wunsch von Heesters in Erfüllung: ein Auftritt in seiner Geburtsstadt Amersfoort.
„Deutschland wurde unter Hitler zu einer Mordmaschinerie umfunktioniert und dem unterlag nahezu die gesamtdeutsche Gesellschaft“, sagt …. So wie deutsche Züge pünktlich in Konzentrationslager fuhren, so war auch die Unterhaltungsindustrie ein Instrument der Nazis. Sänger, Schauspieler und Kabarettisten mussten für gute Stimmung sorgen und den Soldaten im Urlaub wieder neue Kraft (Moral) geben.“ Laut … war … einer der größten Stars und Favoriten von Adolf Hitler. „Er war ein hübscher und anziehender Mann, ein großer Charmeur und begabter Künstler. Er konnte wie kein Anderer das Elend des Krieges vergessen lassen. Da stand wahrscheinlich keine politische Überzeugung dahinter, jedoch reine Sucht nach Kariere. Er verdiente Kisten voll Geld.“ … will das nicht verurteilen. „Obgleich genug jüdische Kollegen im Lager endeten und Andere aus Solidarität Deutschland verließen, weiß ich nicht wie ich gehandelt hätte. Ein Problem habe ich aber mit seiner Haltung nach dem Krieg.“ So kritisiert … die nach seiner Meinung gespielte Naivität über den Besuch in Dachau, wo … 1941 auf Einladung der Nazis einen Blick auf das Lager warf. … tat das Konzentrationslager anfänglich ab als eine Art Pfadfinder-Ferienlager: Er müsste es besser gewusst haben, denn in den dreißiger Jahren wurde bereits über. Dachau Kabarett gemacht als einem Ort, wohin man besser nicht hinkommen sollte. … tut nichts anderes als seine deutschen Generationsgenossen: sich dumm stellen, leugnen und auf die anderen zeigen.“ Erst in späteren Biografien von … wird sein umstrittener Besuch in Dachau erwähnt, aber die ganze Wahrheit ist laut Kühn nie geschrieben worden. „… behauptet noch immer, dass er dort nicht gesungen hat, aber das ist falsch. … war Gefangener in Dachau und nach dem Krieg in Wien Kulturpolitiker, nicht das Geringste. Er hat vor meiner Kamera, erklärt, dass er den Vorhang für … höchstpersönlich gezogen hat. Sowie auch eine andere Frau, die jahrelang behauptet, dass sie … in Dachau singen sah.“ … zufolge ist es eine verpasste Chance, dass … nach dem Krieg nicht offen und ehrlich gewesen ist. „Er hat den Hintern vom Teufel geküsst und das muss er zugeben. Auch hätte er neue Generationen warnen müssen vor den Schrecken einer Diktatur. Und müsste erklären wie leicht man da sichtlich mit hineingezogen wird. Dass er das nicht getan hat und das gleichzeitig bagatellisiert, das. macht ihn in meinen Augen sehr wohl schuldig.“

Wegen der Originalveröffentlichung in niederländischer Sprache wird auf die Anlage K 1a) Bezug genommen.

Der Beklagte verfasste zudem als Autor und gestaltete als Regisseur die Hörbuch-Edition „…“. In dem hierzu herausgegebenen Booklet (Anlage K 2a) heißt es u.a. über den Kläger: „Während Häftlinge berichten, … sei damals mit dem Ensemble des Münchner Gärtnerplatz-Theaters auch vor der SS-Wachmannschaft aufgetreten und habe sie mit einem ‚frohen und heiteren Nachmittag‘ erfreut, wird dieser Auftritt von … bis zum heutigen Tage bestritten.“ Zudem beschäftigt sich auf der CD Nr. 1, Stück 11, ein von dem Beklagten verfasster Text mit dem Besuch des Klägers in Dachau. Wegen des Inhaltes wird auf die Darstellung in der Klageschrift (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen. Denselben Text veröffentlichte der Beklagte in seinem 2002 erschienenen Buch „…“ (Anlage K 3).

Der Kläger gehörte in der Zeit des Dritten Reiches zu bekannten Künstlern im Film und auf der Bühne. Im Frühjahr 1941 war er als Schauspieler für das Gärtnerplatz-Theater, München, engagiert. Am 21. Mai 1941 besuchten Mitglieder des Ensembles, unter ihnen auch der Kläger, das KZ Dachau. Die Parteien streiten vornehmlich um die Frage, ob der Kläger in diesem Zusammenhang vor der Wachmannschaft der SS auch aufgetreten ist.

Anlässlich des Besuches des Ensembles bedankte sich der SS-Sturmbannführer des KZ Dachau schriftlich mit den Worten „Den lieben Künstlern, die uns am 21.5.1941 durch einen frohen und heiteren Nachmittag im K.L. Dachau erfreuten, gewidmet.“ (Anlage B 6). Diese Widmung ist Teil eines Fotoalbums über den Besuch, das auf mehreren Aufnahmen auch den Kläger ausschließlich in ziviler Kleidung zeigt (Anlage K 4).

Mit seinem Besuch im KZ Dachau beschäftigte der Kläger sich u.a. in seiner Autobiographie „Es kommt auf die Sekunde an“ (1978; Anlage K 6); dieser ist auch Gegenstand der von Jürgen … verfassten Biographie „Der Herr im Frack“ (Anlage B 4). Zu dem KZ-Besuch führt der Kläger in seiner Autobiographie u.a. aus: „Ich will ganz ehrlich sagen, dass mir und mit mir dem Großteil des deutschen Volkes nicht bekannt war, was in diesen Lagern geschah. Das Lager wirkte auf uns wie ein typisches Soldatenlager, das sah so aus wie die Arbeitsdienst- und Hitlerjugendlager, die man aus den Illustrierten kannte. Wir trafen ein, heuchelten Interesse, ein Soldat knipste uns mit seiner Privatbox, und wir fuhren wieder nach Haus. Am Abend, so glaube ich, hatte ich bereits wieder Vorstellung. Andere Besuche von Unterkünften für Angehörige der verschiedensten Truppeneinheiten waren geplant. Ich schwor mir aber, in Zukunft alles zu unternehmen, um nicht noch einmal vor die Propagandamaschine der Nazis gespannt zu werden. Als nach dem Krieg bekannt wurde, welche grauenvollen Vernichtungsstätten später aus diesen Lagern gemacht wurden, waren ich und mit mir alle anständigen Menschen zutiefst betroffen. Ich schämte mich, und ich habe bis heute nicht aufgehört, mich zu schämen, dass es den Nazis gelungen war, uns dorthin zu locken. Ich ärgere mich über meine Vertrauensseligkeit, meine Gutgläubigkeit und meine Naivität. Im Rückblick ist mir noch heute unverständlich, dass diese Greuel uns in Deutschland arbeitenden und lebenden Menschen so lange verborgen geblieben sind.“

In seiner 1993 erschienenen Autobiographie „Ich bin gottseidank nicht mehr jung“ berichtete der Kläger von einer Truppenbetreuung durch das Gärtnerplatz-Theater. Die „…“ veröffentlichte am 4.12.1993 (Anlage B 1) ein Interview mit dem Kläger, in dem dieser mit den Worten zitiert wird „Ja, ich habe dort gesungen, wusste aber nicht, was dort später passiert. Ich schäme mich dafür. Ich schäme mich bis heute dafür.“ Am 18. Mai 1990 interviewte der Beklagte einen ehemaligen Häftling des KZ Dachau, …, zum Besuch des Ensembles in Dachau 1941.

Der Kläger trägt vor, er sei bei seinem Besuch im KZ Dachau nicht aufgetreten. Der Beklagte verstoße mit seinen anderslautenden Äußerungen gegen das Gebot der Wahrheit und stelle wider besseren Wissens falsche Tatsachenbehauptungen auf. Die von dem Beklagten zur Untermauerung seiner gegenteiligen Äußerungen angeführten Beweismittel gebe es nicht. So sei die Aussage des von dem Beklagten befragten Zeugen …, die er mit Nichtwissen bestreitet, falsch, wie sich bereits aus den zeitlichen Zusammenhängen ergebe. Auch die Aussagen von … sowie Frau …, wonach er im KZ Dachau einen Auftritt absolviert habe, bestreitet er mit Nichtwissen. In der von der „…“ veröffentlichten Weise habe er sich nicht geäußert. Auch habe er seinen Besuch in Dachau nie bagatellisiert, wie sich schon aus seiner Autobiographie/Biographie ergebe.

Der Kläger beantragt,

I. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250 000 €, an deren Stell im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gemäß § 890 ZPO zu unterlassen, im Zusammenhang mit der Teilnahme des Klägers an einem angeordneten Besuch des Ensembles des Gärtnerplatz-Theaters München im KZ Dachau am 21.5.1941 wörtlich oder sinngemäß die nachfolgenden Behauptungen über den Kläger aufzustellen und/oder zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen:

I. 1. … lügt, wenn er bestreitet, dass er bei diesem KZ-Besuch vor der SS- Wachmannschaft einen Gesangsauftritt absolviert hat.
I. 2. … ist bei diesem KZ-Besuch ganz sicher aufgetreten.
I. 3. … hat erst in späteren Biografien seinen umstrittenen Besuch im KZ Dachau erwähnt, aber nie die ganze Wahrheit gesagt/geschrieben.
I. 4. … hat seinen KZ-Besuch stets bagatellisiert.
I. 5. … hat das KZ Dachau anfänglich abgetan als eine Art Pfadfinder-Ferienlager.
I. 6. Der Häftling ncan hat höchstpersönlich den Vorhang gezogen, als … im KZ Dachau gesungen hat.
I. 7. Es gibt Zeugen, die den KZ-Auftritt von … mit dem Ensemble des Gärtnerplatz-Theaters inklusive Orchester und Ballett miterlebt haben,

II. den Beklagten zu verurteilen, zu erklären, dass er die von ihm über den Kläger im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an dem angeordneten Besuch des Ensembles des Gärtnerplatz-Theaters München im KZ Dachau am 21.5.1941 wörtlich oder sinngemäß aufgestellten und verbreiteten Behauptungen

II. 1. … lügt, wenn er bestreitet, dass er bei diesem KZ-Besuch vor der SS-Wachmannschaft einen Gesangsauftritt absolviert hat,
II. 2. … ist bei diesem KZ-Besuch ganz sicher aufgetreten,
II. 3. … hat erst in späteren Biografien seinen umstrittenen Besuch im KZ Dachau erwähnt, aber nie die ganze Wahrheit gesagt/geschrieben,
II. 4. … hat seinen KZ-Besuch stets bagatellisiert,
II. 5. … hat das KZ Dachau anfänglich abgetan als eine Art Pfadfinder-Ferienlager,
II. 6. der Häftling … hat höchstpersönlich den Vorhang gezogen, als Johannes … im KZ Dachau gesungen hat,
II. 7. es gibt Zeugen, die den KZ-Auftritt von … mit dem Ensemble des Gärtnerplatz-Theaters inklusive Orchester und Ballett miterlebt haben

nicht mehr aufrecht erhält.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, weil der Kläger sich – unstreitig – gegen die als Anlagenkonvolut B 5 vorgelegten Veröffentlichungen nicht gewehrt habe, könne dies nur als Indiz gewertet werden, dass ein Auftritt des Klägers stattgefunden habe. Aus den im Jahr 1941 gefertigten Fotografien könne nicht geschlussfolgert werden, der Kläger sei dort nicht aufgetreten. Jedoch belegt seiner Ansicht nach die im Jahr 1941 gefertigte Widmung das Gegenteil. Auch mache seiner Auffassung nach die – unstreitige – Anwesenheit des musikalischen Leiters des Ensembles in Dachau anders keinen Sinn. Herr M.… habe sich in der aus der Anlage B 2 ersichtlichen Weise ihm gegenüber geäußert. Persönlichkeitsrechte des Klägers würden durch die streitgegenständlichen Äußerungen nicht verletzt, jedenfalls habe er, der Beklagte, in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt. Zudem handele es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen teilweise um Meinungsäußerungen. Im Übrigen müsse der Kläger beweisen, dass seine – des Beklagten – Schlussfolgerungen nicht richtig seien.

Die Kammer hat die Aufnahme auf der DVD, welche das Interview des Beklagten mit Herrn M.… zum Gegenstand hat, in Augenschein genommen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

[bearbeiten] Entscheidungsgründe

[bearbeiten] I. Anwendbares Recht

Auf den streitgegenständlichen Sachverhalt ist ausschließlich das deutsche Recht anzuwenden. Soweit der Kläger seine Ansprüche auf Äußerungen des Beklagten stützt, die dieser in der niederländischen Presse getätigt hat, ist zwar nicht vorgetragen oder dargetan, dass die Zeitung „…“ auch in Deutschland verbreitet wird und somit der Ort der unerlaubten Handlung (auch) in den Staatsgrenzen der Bundesrepublik Deutschland liegt. Doch sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches gem. Art. 40 Abs. 1, 2 EGBGB auf den streitgegenständlichen Sachverhalt anwendbar. Denn sowohl der Kläger als Verletzter als auch der Beklagte als Schädiger hatten zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, so dass gem. § 40 Abs. 2 EGBGB deutsches Recht zur Anwendung kommt.

[bearbeiten] II. Unterlassungsanspruch

Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gem. §§ 823, analog 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, §§ 186 ff. StGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, weil nicht bewiesen ist, dass die angegriffenen Äußerungen unwahr sind bzw. die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik überschreiten.

1) Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom genannten Grundrecht geschützt. Im Fall einer derart engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (BGH NJW 1996, 1131, 1133 m.w.Nachw.).

Der Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit wird verkannt, wenn der Verurteilung eine Äußerung zugrundegelegt wird, die so nicht gefallen ist, wenn ihr ein Sinn gegeben wird, den sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat oder wenn ihr unter mehreren objektiv möglichen Deutungen eine Auslegung gegeben wird, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind ferner verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft ist mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfG NJW 1992, 1439, 1440 m.w.Nachw.).

Der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung wird nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst (BVerfG a.a.O.).

Maßgebend für die rechtliche Beurteilung der Äußerung ist zunächst das Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers (BGH NJW 1982, 2246, 2247). Dabei kommt es für das Verständnis über die Bedeutung, den Aussagegehalt und das Gewicht einer Äußerung nicht allein auf deren Wortlaut und auf deren Betrachtung losgelöst von ihrem Hintergrund an. Vielmehr ist die Äußerung im Zusammenhang und unter Berücksichtigung ihrer zugleich mitgeteilten Umgebung zu sehen, in die sie gestellt ist. Denn es ist dieser Kontext, der ihren Inhalt prägt und damit ihr Verständnis bestimmt (vgl. BGH NJW 1996, 1131, 1133 m.w.Nachw.; Kammergericht, Urteil vom 9. März 1993, 9 U 714/92).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist hinsichtlich der angegriffenen Äußerungsbestandteile folgendes festzustellen:

a) Die Äußerung unter I. 1., der Kläger lüge, wenn er seinen dortigen künstlerischen Auftritt zusammen mit dem Ensemble des Gärtnerplatz-Theaters München bestreite, wird von dem unbefangenen Leser dahin verstanden, dass der Kläger wider besseres Wissen für sich in Anspruch nimmt, keinen Auftritt im KZ Dachau absolviert zu haben. Sie ist auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar.

b) Gleiches gilt für die Äußerung des Beklagten, der Kläger sei bei diesem KZ-Besuch ganz sicher aufgetreten, ohne dass es einer näheren Erläuterung bedarf.

c) Auch die im Klageantrag zu I. 3. enthaltene Äußerung stellt eine Tatsachenbehauptung dar. Denn indem der Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe erst in späteren Biographien seinen umstrittenen Besuch im KZ Dachau erwähnt, wirft er ihm inzident vor, er habe es vorher nicht für nötig gehalten, seinen Besuch vom Mai 1941 zu offenbaren; dass der Kläger in einer früheren Biographie den Auftritt nicht erwähnt habe, wird dagegen nicht behauptet.

Zudem erzeugt der Beklagte beim Leser durch die Äußerung, der Kläger habe nie die ganze Wahrheit über diesen Auftritt gesagt/geschrieben, den Eindruck, der Kläger halte bewusst Informationen über diesen Auftritt zurück. Dabei erschließt sich dem Leser aus dem Gesamtzusammenhang des Artikels, dass es hierbei gerade um die zwischen den Parteien streitige Frage geht, ob der Kläger bei seinem Besuch im KZ Dachau auch aufgetreten ist, denn dieses ist das Hauptthema des Interviews, wie bereits durch die Überschrift deutlich wird. Zudem wird durch den nachfolgenden Satz des Beklagten „… behauptet immer noch, dass er dort nicht gesungen hat, aber das ist falsch“ ein unmittelbarer Bezug zu der vom Beklagten angenommenen Unvollständigkeit der Informationen hergestellt. Ob der Kläger bei seinem Besuch im KZ Dachau aufgetreten ist oder nicht, ist dem Beweis zugänglich.

d) Auch bei der in dem Antrag zu I. 4. genannte Äußerung handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Zwar handelt es sich bei dem verwendeten Wort des Bagatellisierens grundsätzlich um eine Meinungsäußerung, denn ob jemand etwas herunterspielt und Ereignisse weniger gravierend darstellt als sie sich tatsächlich ereignet haben, ist vornehmlich die Wertungsfrage eines Einzelnen und kann von diesem unterschiedlich empfunden werden. Doch ist aus dem Gesamtzusammenhang der streitgegenständlichen Textpassage ersichtlich, dass es nicht um Fragen der Wertung geht. Vielmehr stellt der Beklagte durch die Äußerung „Und in Dachau ist er ganz bestimmt aufgetreten, Zeugen gäbe es auf einem Band (Ton oder Film). Selbst hat er es stets bagatellisiert, aber ich begreife, dass die Niederländer das anders sehen.“ eine direkte Beziehung zwischen dem Besuch des Klägers in Dachau, der Behauptung, der Kläger sei dort aufgetreten und habe dies immer bagatellisiert, her und tut kund, dass der Kläger eben nicht die seiner Ansicht nach volle Wahrheit über die Umstände des klägerischen Besuchs in Dachau offenbart hat. Der Begriff des Bagatellisierens kommt im diesem Zusammenhang für den Leser dem (erneuten) Vorwurf einer Lüge gleich und konzentriert sich damit auf die Frage, ob der Kläger während seines Besuchs in Dachau aufgetreten ist oder nicht, also einer Tatsache.

e) Die Äußerung, der Kläger habe das KZ Dachau anfänglich als eine Art Pfadfinder-Ferienlager abgetan, stellt eine Meinungsäußerung dar. Mit dem verwendeten Begriff gibt der Beklagte den aus seiner Sicht von dem Kläger vermittelten Eindruck über das KZ wieder. Dabei ist der Begriff eines „Pfandfinder-Ferienlagers“ nicht mit bestimmten, in der Öffentlichkeit bekannten Inhalten und Merkmalen besetzt. Sondern hiermit soll ersichtlich nur die vom Kläger vermeintlich vermittelte Harmlosigkeit und Bedeutungslosigkeit des KZ Dachau zum Ausdruck gebracht und kritisiert werden. Dies zeigt sich auch daran, dass der Beklagte im vorangegangenen Satz auf die nach seiner Meinung „gespielte Naivität“ des Klägers Bezug nimmt. Wie der Beklagte empfindet, was der Kläger über einen Besuch im KZ Dachau veröffentlicht hat, stellt jedoch keine dem Beweis zugängliche Behauptung dar, sondern ist wesentlich das Ergebnis des Meinens und Fühlens des Beklagten. Eine derartige Äußerung unterfällt dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG.

Dass hiermit die Grenzen einer unzulässigen Schmähkritik vom Beklagten überschritten wurden, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen. Das gilt auch für Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind. Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für „falsch“ oder für „ungerecht“ halten. Auch die Form der Meinungsäußerung unterliegt der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung des Äußernden. Verfolgt der Äußernde nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung; eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik überhöhte Anforderungen stellt, ist mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Für die Beurteilung der Reichweite des Grundrechtsschutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG kommt es ferner maßgeblich darauf an, ob und in welchem Ausmaß der von den Äußerungen Betroffene seinerseits an dem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfs unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, hat die Äußerung – auch wenn sie eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betrifft – regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (vgl. BGH NJW 2007, 686, 688 m.w.Nachw.).

Derartige Umstände sind nicht ersichtlich. Vielmehr setzt sich der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise mit der Darstellung des Klägers über dessen Eindrücke vom KZ Dachau auseinander.

f) Bei der Äußerung, der Häftling Viktor … habe den Vorhang für Herrn … persönlich gezogen, als er im KZ Dachau gesungen hat, handelt es sich ebenso wie die Äußerung, Zeugen hätten den KZ-Auftritt von Herrn H.… und des Ensembles des Gärtnerplatz-Theaters inklusive Orchester und Ballett miterlebt (Klageantrag I. 7.) um eine Tatsachenbehauptung. Der Beklagte gibt nicht bloß seine Ansichten wieder, sondern benennt Fakten, zu deren Untermauerung er sich auf Zeugen beruft.

2) Grundsätzlich hat der Anspruchsteller eines Unterlassungsanspruches im Rechtsstreit die Unrichtigkeit der ihn betreffenden ehrverletzenden Äußerungen erforderlichenfalls zu beweisen. Im Äußerungsrecht ist dabei anerkannt, dass bei ehrrührigen Behauptungen den Äußernden unabhängig von der Beweislast eine erweiterte Darlegungslast trifft (BGH NJW 1974, 710). Diese erweiterte Darlegungslast wird zu einer echten Umkehr der Beweislast, wenn Streitgegenstand eine üble Nachrede ist. Nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB trifft den Äußernden die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine ehrbeeinträchtigenden Behauptungen wahr sind (BGH NJW 1996, 1131, 1133; NJW 1985, 1621, 1622).

Dem steht nicht entgegen, dass auch eine Behauptung, deren Unwahrheit nicht erwiesen ist, jedenfalls in Fällen, in denen es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht, auf der Grundlage der nach Art. 5 Abs. 1 GG und § 193 StGB vorzunehmenden Güterabwägung demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden kann, als er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf. Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat (BGH NJW 1996, 1131, 1133 m.w.Nachw.).

Nach den für Presseveröffentlichungen geltenden Grundsätzen sind an die Erfüllung der Recherchierungspflicht sog. pressemäßige Sorgfaltsanforderungen zu stellen. Allerdings dürfen solche Anforderungen nicht überspannt, insbesondere nicht so bemessen werden, dass die Funktion der Meinungsfreiheit in Gefahr gerät; dies ist insbesondere dort zu beachten, wo über Angelegenheiten berichtet werden soll, die für die Allgemeinheit von erheblicher Bedeutung sind. Demgemäß ist stets unter Würdigung aller Umstände des Falles eine sorgfältige Güterabwägung vorzunehmen, bei der sowohl dem Grundrecht des Äußernden aus Art. 5 Abs. 1 GG als auch der verfassungsrechtlich geschützten Position des von der Äußerung Betroffenen aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG das gebotene Gewicht beizumessen ist (BGH a.a.O.).

In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Beklagte in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat.

Die Frage, in welchem Umfang und Ausmaß die Politik des Dritten Reiches von Künstlern mittelbar oder unmittelbar unterstützt wurde und wie sich einzelne Künstler während der Zeit des Naziregimes verhalten bzw. politisch positioniert haben, ist auch mehrere Jahrzehnte nach Ende des Dritten Reiches weiterhin von öffentlichem Interesse. Dies gilt umso mehr, wenn es derart bekannte Persönlichkeiten wie den Kläger betrifft, der sich selbst als Legende charakterisiert. Die Beschäftigung mit der Problematik, wie es dazu kommen konnte, dass die politischen Ziele Hitlers sich durchsetzen konnten und welche gesellschaftlichen Verhaltensweisen hierzu möglicherweise einen Beitrag geleistet haben, stellt nach wie vor ein Thema dar, das für die Öffentlichkeit von Bedeutung ist, zumal die Auseinandersetzung mit dieser Frage die Aufmerksamkeit der Bevölkerung erregt, etwaige Änderungen in der politischen Landschaft, die sich gegen die demokratische Grundordnung richten bzw. nicht mit diesen in Einklang stehen, zu erkennen und dem entgegenzusteuern.

Hierzu hat der Beklagte durch seine über Jahrzehnte betriebene Beschäftigung mit der Einbindung von Künstlern in das nationalsozialistische Regime einen Beitrag geleistet. Dabei hat er sich, wie die von ihm vorgebrachte Argumentation sowie vorgelegten Anlagen zeigen, intensiv mit dieser Frage befasst und die Ergebnisse seiner Untersuchungen auf historische Dokumente sowie Veröffentlichungen Dritter und die Befragung von Zeugen gestützt. Der Beklagte hat seine Äußerungen daher keinesfalls ins Blaue getätigt.

Vielmehr stützt er sich auf Berichte von Zeitzeugen, Presseveröffentlichungen und die Angaben des Klägers.

Soweit dieser seinen Besuch in Dachau selbst als „Truppenbetreuung“ charakterisiert hat, hält es sich im Rahmen des Zulässigen, wenn der Beklagte anhand des allgemeinen Wortverständnisses dieses Begriffes hieraus den Schluss zieht, eine Stärkung der Moral der Truppe sei anders als durch einen Auftritt nicht nachvollziehbar. Wenn der Kläger darüber hinaus im Jahr 1993 in der … mit den Worten zitiert wird „Ja, ich habe dort gesungen, wusste aber nicht, was dort später passiert“, ist es ein zulässiges Vorgehen des Beklagten, diese Veröffentlichung gegen die anders lautenden Äußerungen des Klägers ins Feld zu führen und somit als widerlegt anzusehen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger sich gegen diese – seiner Behauptung nach falsche – Veröffentlichung ebenso wenig zur Wehr gesetzt hat wie gegen die als Anlagenkonvolut B 5 vorgelegten Artikel. Wenn der Kläger nunmehr behauptet, in der von der … zitierten Weise habe er sich nie geäußert, kann sich dies nicht zum Nachteil des Beklagten auswirken. Auch die Anmerkung von Jürgen … im Rahmen der Biographie „Der Herr im Frack“, mit der die Richtigkeit des damaligen Zitates kritisch hinterfragt wird, führt im Ergebnis nicht zu einer anderen Bewertung. Es bleibt dem Beklagten unbenommen, an dem Hinweis von Herrn …, der Satz sei in dem Gespräch mit dem damaligen Autor des Artikels nicht gefallen, angesichts eines fehlenden presserechtlichen Korrektivs durch den Kläger weiterhin Zweifel zu hegen und dies auch zum Ausdruck zu bringen.

Dies gilt umso mehr, als der Beklagte seine Einschätzung durch das während des Besuches im KZ Dachau gefertigte Fotoalbum sowie der damals gefertigten Widmung nicht als widerlegt anzusehen hat. Zwar zeigen die Fotos den Kläger ausschließlich in ziviler Kleidung und nicht in einem Kostüm, doch kann hieraus nicht zwingend der Umkehrschluss gezogen werden, der Kläger habe keinen Auftritt absolviert. So geben Fotografien immer nur einen zeitlich eng begrenzten, im Moment der jeweiligen Aufnahme zu ersehenden Zustand wieder. Die vor und nach dem Zeitpunkt der Anfertigung ablaufenden Geschehnisse bleiben dem Betrachter jedoch verborgen. Aus diesem Grund ist die Argumentation des Beklagten, nur weil die Fotografien einen Auftritt nicht zeigten, sei nicht belegt, dass es diesen auch nicht gegeben habe, durchaus nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als sich anhand der Fotografien der zeitliche Ablauf des Besuches nicht rekonstruieren lässt und offen bleibt, wann die im Foto abgelichteten Geschehnisse sich damals ereignet haben. Zudem begründet die bei dem KZ Besuch unstreitige Anwesenheit des musikalischen Leiters des Ensembles Zweifel an der Überzeugung von der Wahrheit der Behauptungen des Klägers. So ist der Einwand des Beklagten, die Anwesenheit dieser Person mache doch nur Sinn, wenn es auch eine musikalische Aufführung gegeben habe und diese spiegele sich gerade nicht in den Fotografien wieder, nicht von der Hand zu weisen. Dies gilt umso mehr, als auf einer Gruppenaufnahme einige Mitglieder des Ensembles im Kostüm zu sehen sind und die Schlussfolgerung, es habe eine Darbietung des Ensembles gegeben, damit nachzuvollziehen ist.

Auch begründet die Widmung des damaligen SS-Sturmbannführers Zweifel an der Darstellung des Klägers. Denn der Hinweis auf einen frohen und heiteren Nachmittag, den die Künstler damals geliefert haben sollen, schließt gerade die Aufführung einer künstlerischen Darbietung durch Mitglieder des Ensembles unter Mitwirkung des Klägers nicht aus, sondern legt sie sogar nahe.

Hinzu kommt, dass der Beklagte sich auf die Aussage des Zeitzeugen … berufen kann. Dieser hat sich gegenüber dem Beklagten in der aus der Anlage B 2 ersichtlichen Weise geäußert. Im Verlauf des Interviews hat Herr … angegeben, den Kläger im Theater außerhalb des Lagers spielen gesehen und den Vorhang betätigt zu haben. Zwar konnte Herr … den Namen der Operette nicht benennen, doch hat er sich zu dem Auftritt des Klägers und seinem eigenen Einsatz als Vorhangzieher eindeutig geäußert. Dabei ließ Herr … trotz seines betagten Alters zur Zeit des Interviews schon seinem Sprachbild nach nicht den Eindruck von Erinnerungsschwäche oder Unsicherheit aufkommen. Soweit der Kläger anhand der zeitlichen Einordnung der Geschehnisse durch Herrn … sowie dessen Einschätzung des Ensembles als „wandernde Truppe“ darauf abzielt, seine Aussage als unrichtig darzustellen, vermag dies dem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn auch wenn die Einschätzung des Klägers, die Aussage von Herrn M.… weise gewisse Ungereimtheiten auf, nachvollziehbar ist, kann sich der Beklagte hierauf gleichwohl als Beleg für seine Einschätzung berufen. Etwas anderes würde nur gelten, sofern den Angaben des Herrn … offensichtlich kein Glauben zu schenken wäre und keine ausreichenden Anhaltspunkt füre die Wahrheit seiner Angaben vorlägen. So verhält es sich jedoch nicht. Denn ein zu Besuch befindliches Ensemble als „wandernde Truppe“ zu bezeichnen, mag sprachlich und inhaltlich nicht korrekt sein. Allerdings ist diese Charakterisierung angesichts eines einzigen Auftritts außerhalb der eigentlichen Spielstätte nicht derart fernliegend, dass der gesamte Inhalt der Aussage von Herrn … als unwahr anzusehen wäre. Gleiches gilt für die zeitliche Einordnung, die gerade am Schnellsten der Erinnerung entschwindet und daher nicht als ausschlaggebendes Kriterium für die Glaubwürdigkeit eines Zeugen angesehen werden kann. Dies gilt angesichts des verstrichenen Zeitraums zwischen 1941 und 1990, dem Zeitpunkt des Interviews, umso mehr.

Die im Rahmen journalistischer Recherche erforderlichen Sorgfaltspflichten hat der Beklagte eingehalten. So ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag nicht, dass der Beklagte wesentliche Dokumente bei seiner Auseinandersetzung mit dem Thema außer Acht gelassen hat, welche die Position des Klägers als zutreffend erscheinen lassen. Vielmehr streiten die Parteien vornehmlich um die ihrer jeweiligen Ansicht nach zutreffenden Interpretation der Unterlagen. Diese lassen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, Schlussfolgerungen und damit Behauptungen, wie sie der Beklagte getätigt hat, durchaus zu. Den von dem Kläger erhobenen Vorwurf, der Beklagte stelle wider besseren Wissens unwahre Tatsachenbehauptungen auf, vermag die Kammer daher aufgrund der ihr vorgelegten Unterlagen nicht zu teilen.

[bearbeiten] III. Widerruf

Der Kläger kann nicht den Widerruf der streitgegenständlichen Äußerungen gem. §§ 823, analog 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG verlangen. Nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt ist nicht davon auszugehen, dass die angegriffenen Tatsachenbehauptungen falsch sind.

Grundsätzlich besteht ein Richtigstellungsanspruch, wenn über einen Betroffenen falsche Tatsachen behauptet werden, die diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen. Es ist jedoch anerkannt, dass ein Anspruch auf Richtigstellung auch dann in Betracht kommt, „wenn infolge der fehlerhaften Auswahl bzw. von Weglassungen ein den Tatsachen widersprechendes falsches oder zumindest verzerrtes Bild entstanden ist“ (vgl. Wenzel-Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 13, Rz. 72). Darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich der Falschheit der Ausgangsbehauptungen ist der Betroffene (vgl. Wenzel a.a.O. Kap. 13, Rz. 18 m.w.N.).

Dabei muss der Betroffene nachweisen, dass die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung feststeht (BGH VersR 1974, 1080, 1081), denn niemand darf verpflichtet werden, in der Form des Widerrufs etwas als unwahr zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist (vgl. BGH NJW 1976, 1099 ff.). Allerdings trifft den Äußernden eine Darlegungslast, da der erforderliche Negativbeweis vom Betroffenen nur dann geführt werden kann, wenn diesem die konkreten Fakten bekannt sind, auf die der Kritiker seinen Vorwurf stützt. Es ist daher zunächst Sache des Äußernden, seine Behauptung in nachprüfbarer Form zu substantiieren. Gerade er muss dazu mühelos in der Lage sein, wenn seine Äußerung nicht erfunden ist. Kommt der Kritiker seiner aus § 138 Abs. 1 ZPO folgenden prozessualen Erklärungspflicht nicht nach, kann von der Unwahrheit des streitigen Vorwurfs ausgegangen werden (BGH NJW 1974, 1710, 1711; AfP 1987, 502, 503; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rdz. 13.18; Prinz/Peters, Medienrecht, Rdz. 678 m.w.Nachw.). Bleiben hinsichtlich der Unwahrheit Zweifel, gehen diese zu Lasten des Klägers.

Der Beklagte hat substantiiert und unter Vorlage der von ihm zum Beweis für seine Äußerungen angesehenen Unterlagen und Veröffentlichungen dargetan, aufweiche Umstände er seine Behauptungen stützt. Demgegenüber hat der Kläger nicht zur vollen Überzeugung der Kammer (§ 286 BGB) den Beweis zu erbringen vermocht, dass die Behauptungen des Beklagten falsch sind.

Dies gilt zunächst, soweit sich der Kläger auf das anlässlich seines Besuches im KZ Dachau gefertigte Fotoalbum beruft. Angesichts der abgebildeten Fotografien lässt es einerseits den Schluss zu, der Kläger habe das KZ Dachau lediglich besichtigt, denn er ist nur in ziviler Kleidung abgebildet. Andererseits erscheint ein Auftritt des Ensembles aufgrund der Anwesenheit seines musikalischen Leiters sowie eines Gruppenbildes mit kostümierten Ensemblemitgliedern durchaus möglich. Die für und gegen einen Auftritt des Klägers im KZ Dachau sprechenden Erwägungen, wegen derer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellung unter II 2) Bezug genommen wird, reichen zur Begründung einer Überzeugung von der Wahrheit der Behauptung des Klägers nicht aus.

Auch das von dem Kläger als Anlage K 5 vorgelegte Programmblatt vom 21. Mai 1941 vermag die Kammer von der Unwahrheit der Äußerungen des Beklagten nicht zu überzeugen. Ein Auftritt des Klägers am Abend des vorgenannten Tages schließt einen künstlerischen Gesangsauftritt zuvor am selben Tag in Dachau nicht aus. Allein aufgrund der geographischen Lage von Dachau in der Nähe von München sprechen zeitliche Umstände nicht maßgeblich gegen die Behauptungen des Klägers.

Weitergehende Beweismittel hat der Kläger zum Beleg für die Wahrheit seiner Behauptung nicht angeboten. Zwar beruft er sich auf einen Brief von Jules Huf an Herrn … (Anlage K 16). Doch vermag dieser als Beweis für die Wahrheit der klägerischen Behauptung nicht zu dienen. Denn der Verfasser des Briefes gibt lediglich eine Einschätzung über die Glaubwürdigkeit des Herrn M.… ab; eine Meinungsäußerung über die Aussage anderer stellt aber kein belastbares Beweismittel dar.

[bearbeiten] Richtigstellung

Hinsichtlich des Antrages zu II. 5 scheidet ein Anspruch auf Richtigstellung bereits aus, weil es sich – wie dargelegt – um eine Meinungsäußerung handelt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Mauck Dr. Hinke Becker

[bearbeiten] Berufung 10 U 6/09

Der Kläger ging in Berufung.

Johannes Heesters' Dachau-Rechtsstreit durch Vergleich beendet

22.04.10: 10 U 6/09: Der Rechtsstreit zwischen dem Schauspieler und Sänger Johannes Heesters und dem Publizisten Volker Kühn über dessen Äußerungen zu einem Auftritt Heesters' im Konzentrationslager Dachau im Jahre 1941 ist einvernehmlich beigelegt worden.

Kühn erklärte in der mündlichen Verhandlung vor dem 10. Zivilsenat des Kammergerichts, er sei weiterhin davon überzeugt, dass Heesters in Dachau aufgetreten sei, werde ihn aber künftig nicht mehr als Lügner bezeichnen, wenn er einen Auftritt in Dachau bestreite. Daraufhin erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Kühn hatte Heesters in einem Interview mit einer niederländischen Zeitung im Februar 2008 vorgehalten, er habe seinen Auftritt im Konzentrationslager stets bagatellisiert und wahrheitswidrig bestritten, dort gesungen zu haben. Nachdem seine Unterlassungs- und Widerrufsklage hiergegen vor dem LG Berlin erfolglos geblieben war, hatte Heesters, der im Vergleich die Kosten des Rechtsstreits übernommen hat, Berufung zum Kammergericht eingelegt.

Heester übernahm die Kosten.

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