BGH für Meinungsfreiheit

Aus Buskeismus

Wechseln zu: Navigation, Suche

Inhaltsverzeichnis

ZENSUR



BGH

MEINUNGSFREIHEIT

anwaelte.jpg


Seit 2009 gibt es allerhand Entscheidungen des Bundesgeruichtshofes (BGH) zu Gunsten der Meinungsfreiheit.


[bearbeiten] Namensnennung der Sedlmayr-Mörder

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Hamburg hat die Abwägung von Persönlichkeitsrecht und das Informationsinteresse der Allgemeinheit fehlerhaft vorgenommen. Es ging um die Zulässigkeit des Bereithaltens von sogenannten Dossiers zum Abruf im Internet bei Spiegen Online, in denen den Täter identifizierende alte Wort- und Bildberichterstattungen über eine schwere Straftat zusammengefasst sind.

Das Bereithalten von Bildern und Text ist erlaubt.

Vorinstanzen: LG Hamburg, Entscheidung vom 18.01.2008 - 324 O 509/07 - OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.07.2008 - 7 U 20/08 -

Erfolglose Zensore waren diesmal die beiden Sedlmayr-Mörder und der Rechtsanwalt Dr. Alexander Stopp

[bearbeiten] Kritische Interview-Äußerungen zu "Focus"

Kein Unterlassungsanspruch Markworts gegen Abdruck kritischer Interviewäußerungen zu "Focus"

Der Kläger ist Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Focus". Er verlangt von dem beklagten Zeitungsverlag die Unterlassung des künftigen Abdrucks von Teilen eines Interviews. Gegenstand des Interviews waren Äußerungen des Autors und Kabarettisten Roger Willemsen aus Anlass des bevorstehenden Bühnenauftritts "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort – Die Weltgeschichte der Lüge". Die Beklagte druckte das Interview wenige Tage vor einem Veranstaltungstermin in der von ihr verlegten örtlichen Tageszeitung ab. Roger Willemsen äußerte u. a.: "Heute wird offen gelogen". Im Hinblick auf einen Bericht über Ernst Jünger in der Zeitschrift "Focus" erklärte Roger Willemsen: "Das Focus-Interview, das Markwort mit Ernst Jünger geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der Bunten erschienen." Der Kläger meint, durch diese Äußerungen entstehe in der Öffentlichkeit ein seinem Ansehen abträglicher Eindruck.

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich. Der u. a. für den Schutz des Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision der Beklagten die Klage abgewiesen.

Die Verbreitung der Äußerungen war zulässig. Es handelt sich um eine nicht gegen den Kläger persönlich gerichtete Meinungsäußerung mit einem wahren Tatsachenkern. Die Aussage "Heute wird offen gelogen" richtet sich gegen die Berichterstattung im Magazin "Focus", für die der Kläger als Chefredakteur verantwortlich war. Sie gibt die dem Beweis nicht zugängliche Meinung des Interviewten über die mangelnde Wahrheitsliebe in den Medien wieder. Durch das von ihm angeführte Beispiel des Interviews Markworts mit Ernst Jünger, das Markwort jedenfalls nicht selbst geführt hat, wird der Kläger zwar in seinem Persönlichkeitsrecht tangiert, doch überwiegt das von Roger Willemsen verfolgte Interesse der Öffentlichkeit an der Wahrheit und Seriosität der Medienarbeit. Der Persönlichkeitsschutz des Klägers hat mithin hinter dem Recht der Beklagten auf Presse- und Meinungsfreiheit zurückzutreten.

Urteil vom 17. November 2009 – VI ZR 226/08 –

Landgericht Hamburg – Urteil vom 29. Februar 2008 - 324 O 998/07

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg - Urteil vom 5. August 2008 – 7 U 37/08

Karlsruhe, den 17. November 2009

Erfolglose Zensoren waren diesmal Markwort und die Kanzlei Prof. Schweizer

[bearbeiten] Keine Geldentschädigung wegen "Esra"

BGH VI ZR 219/08 vom 24.11.2009

Keine Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Veröffentlichung des Romans "Esra"

Die Klägerin verlangt Geldentschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Roman "Esra", dessen Verlegerin die Beklagte zu 1 und dessen Autor der Beklagte zu 2 ist. Der Roman erzählt die Liebesgeschichte von "Adam" und "Esra", einem Schriftsteller und einer Schauspielerin. Die Klägerin, die sich in der Romanfigur der "Esra" wiedererkennt, hat nach Erscheinen des Romans ein gerichtliches Verbreitungsverbot erwirkt. Nunmehr begehrt sie zusätzlich eine Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € wegen Verletzung ihres Persönlichkeits-rechts.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Der für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die besondere Bedeutung der Kunstfreiheit betont. Deren hoher Rang und schrankenlose Gewährleistung gebieten bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Kunstwerke besondere Zurückhaltung. Obwohl die Veröffentlichung die Klägerin in ihren Persönlichkeitsrechten schwerwiegend betraf, bestand im Streitfall kein Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung einer Geldentschädigung. Dabei waren im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung insbesondere die äußerst schwierige Bestimmung der Grenzen der Kunstfreiheit und die Tatsache zu berücksichtigen, dass das von der Klägerin erwirkte Verbot des Romans bereits erheblich in die Kunstfreiheit eingreift.

Urteil vom 24. November 2009 – VI ZR 219/08

OLG München – 18 U 2280/08 – Urteil vom 8. Juli 2008

LG München I – 9 O 7835/06 - Entscheidung vom 13. Februar 2008

Karlsruhe, den 24. November 2009

Erfolgloser Zensor war diesmal Rechtsanwalt Dr. Christian Schertz

Aus den Entscheidungsgründen

  • Die Klägerin habe weder dargelegt noch nachgewiesen, dass die Beklagten im Bewusstsein der Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gehandelt haben.
  • Die Kunstfreiheit schließe die Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit ein.
  • Zudem sei ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweise, zunächst einmal als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebe.

- Es sei nicht ersichtlich, dass den Beklagten bewusst gewesen sei, es ermangele bei der Schilderung der Intimszenen und der Mutter-Kind-Beziehung an einer ausreichenden Zuordnung zum Fiktionalen.

- Dass sich die Beklagten subjektiv rücksichtslos der Grenze zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Kunstfreiheit angenähert hätten, ergebe die Würdigung aber nicht.

- Auch der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht hätten um die schwierige Grenzziehung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit gerungen und teilweise neu bestimmt. Den Beklagten könne daher nur der Vorwurf gemacht werden, auf einem "außerordentlich schwierigen Gebiet eine rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben".

Persönliche Werkzeuge